Erinnerungen an die Tegernsee-Camps der Bayern

Pumpen und Pokern unterm Wallberg

von Redaktion

Von Tobias Gmach

Rottach-Egern – Der Satz „Das ist mein voller Ernst“ wird meist bemüht, wenn das zuvor Gesagte unglaubwürdig wirkt. Der 27-jährige Mittelfeldspieler Hasan Salihamidzic braucht den Satz im Sommer 2004 dringend. Denn er hat davor über ein Trainingslager mit Coach Felix Magath gesagt: „Es macht Spaß.“ Magaths voller Ernst ist es unter anderem, „Brazzo“, Michael Ballack, Roy Makaay und Co. den 1722 Meter hohen Wallberg hinaufzujagen. Natürlich müssen die Bayern-Stars in Rottach-Egern auch Medizinbälle kreisen lassen. Und zum 50-minütigen Waldlauf antreten – vor dem Frühstück. Seine Spieler schickt Magath rund um den Tegernsee. Den Journalisten, die später nicht von einem Spaß-, sondern vom „Quälix-Lager“ schreiben, sagt er: „Wir werden dieses Tal über viele Laufstrecken gut kennen lernen.“

An diesem Donnerstag kehren die Bayern mit dem neuen Trainer Niko Kovac an den Tegernsee zurück. Erstmals seit 2006. Danach schlug der Klub seine Trainingslager in Donaueschingen und Trentino auf (siehe Kasten). 2008 fiel das Vorbereitungscamp aus, weil Coach Jürgen Klinsmann das Leistungszentrum an der Säbener Straße mit Ruhezonen, Kraftraum, DJ-Pult und Buddhafiguren hatte optimieren lassen. In den vergangenen Jahren beschränkten sich die Sommerausflüge auf Marketing-Touren durch Asien und die USA.

Einen skurrilen Sponsorentermin beschert der japanische Elektronikkonzern Sony den Bayern im Sommer 2003 am Tegernsee. Uli Hoeneß unterschreibt den Vertrag auf einer Alm, in der Sushi gereicht wird. Michael Ballack lässt sich mit Schwert, Kendo-Kämpfern und Geisha-Künstlerinnen ablichten. Eine schräge Inszenierung.

Verwunderung löst im selben Jahr auch Martin Demichelis aus. Zu seinem eigenen Unverständnis. In einer Presserunde wird der Neuzugang von River Plate Buenos Aires nach seinen Hobbys gefragt. Die Antwort des Argentiniers: Er jage gerne – und zwar Vögel. In seiner Heimat ist die Flugwildjagd weitaus gängiger als in Rottach.

Noch mehr als Demichelis’ Privatvergnügen beschäftigt die Presse damals das ewige Hickhack um Wunschstürmer Makaay. Wochenlang dauert es, bis sich die Bayern mit Deportivo La Coruña einig werden. Drei Jahre später kämpfen die Bosse während des Tegernsee-Camps wieder um einen Niederländer: Ruud van Nistelrooy, der für Manchester United in 150 Ligaspielen 95 Tore geschossen hat. Aufsichtsratchef Franz Beckenbauer schlägt im Jahr 2006 sogar vor, Makaay oder Claudio Pizarro zum HSV abzuschieben. Am Ende macht aber Real Madrid das Rennen um Ruud. Bei 15 Millionen Euro Ablöse spielen die Münchner nicht mehr mit. Und Trainer Magath ist auch ohne van Nistelrooy zuversichtlich, das dritte Double in Folge zu holen. Doch es kommt anders: Kahn und Co. scheitern im DFB-Pokal-Achtelfinale an Alemannia Aachen und werden in der Liga Vierter. Magath muss schon Ende Januar 2007 gehen.

So mancher Trainingskiebitz aus dem Tal sieht schon am Tegernsee eine schwierige Saison bevorstehen. Das „Fünf gegen Zwei“ der Blackburn Rovers, die ebenfalls in Rottach trainieren, hat einfach mehr Zug. Angeleitet vom Waliser Mark Hughes, der in den späten Achtzigern 18 Spiele für Bayern machte, schafft es das englische Team später mit Siegen gegen Arsenal und Manchester City bis ins FA-Cup-Halbfinale.

Im Sommer 2001 bereiten sich die Bayern als frischgebackener Champions-League-Sieger unter dem Wallberg auf die Saison vor. Um einen Platz im Mittelfeld kämpft auch ein 29-jähriger Kroate, der für 11,5 Millionen Mark vom HSV gekommen ist. Er heißt Nico Kovac.

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