München – „In kritischen Situationen entscheidet das richtige Verhalten über die Zukunft eines Unternehmens. Die passende kommunikative Strategie hilft, die Reputation zu schützen und das Vertrauen in die Organisation zu stärken. Wir unterstützen Mandanten dabei, Risiken frühzeitig zu erkennen, zu bewerten und zu kontrollieren – und in der Krise die richtigen Botschaften nach innen und außen zu tragen.“
So beschreibt die Agentur „Hering Schuppener“, die sich „die führende strategische Kommunikationsberatung in Deutschland“ nennt, eines ihrer Geschäftsfelder, „Krise & Sondersituationen“. Wenn man schlussfolgert, dass „Hering Schuppener“ dann ja ein passender Ansprechpartner für den Deutschen Fußball-Bund wäre, liegt man richtig: Der DFB sucht seit neuestem den Rat der an den Standorten Frankfurt, Berlin, Düsseldorf und Brüssel tätigen „Medienkenner, Kapitalmarktprofis, Krisenbewältiger, Politikversteher und Digital Natives“. Sie sollen dem größten Sportfachverband der Welt helfen, wieder in die Spur zu kommen. Im Fall Mesut Özil und auch der Bewerbung um die Europameisterschaft 2024, deren Erfolg daran hängt, wie die Causa Özil international wahrgenommen wird.
Einen „externen Schulterblick“ wolle er gewinnen, erklärt der DFB zu seiner neuen Geschäftsverbindung, das Beratungsmandat sei „zeitlich begrenzt und wirtschaftlich überschaubar“. Als wolle er die Hilflosigkeit relativieren, die ihn dazu veranlasst hat, Hilfe von außen zu suchen. „Hering Schuppener“ steht auch an der Seite des VW-Konzerns in der Bewältigung des Abgas-Skandals. So groß will der DFB seine Probleme natürlich nicht wahrgenommen sehen.
Man kann auch sagen: Der DFB geht jetzt zum Spin- Doctor. Zu Leuten, die ihre Arbeit hinter den Kulissen verrichten – wie die diskret auftretenden, aber mächtigen Berater in Politik-Serien à la „House of Cards“ oder „Borgen“. Zunächst hatte der DFB versucht, die am 14. Mai mit den Erdogan-Fotos aufkommende Affäre um seine Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan selbst wegzumoderieren. Am letzten Tag des WM-Trainingslagers (7. Juni) in Südtirol sagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff patzig auf Medienanfrage: „Was hätten wir noch alles machen sollen? Und jetzt ist dann auch mal genug.“ Er behielt nicht Recht – und seit dem frühen Aus bei der WM hat der Deutsche Fußball-Bund eine Debatte am Hals, ob seine führenden Köpfe Rassisten sind (Özils Vorwurf ans Team Grindel).
Die Geschichte ist eigentlich nicht mehr zu einer friedvollen Auflösung zu bringen, dennoch hat der DFB sich entschieden, externen Rat einzuholen. Nicht das erste Mal.
Bei der Bewerbung für die Europameisterschaft 2024, über die am 27. September entschieden wird, setzt der DFB auf Burson-Marsteller, „die Kommunikationsagentur für die besonderen Fälle“, wie sie sich selbst nennt; ihr Profil ist nicht viel anders als das von „Hering Schuppener“.
Um bei der Aufklärung des 6,7-Millionen-Euro-Geldstroms rund um die WM 2006 guten Willen zu demonstrieren, ließ der DFB die Wirtschaftsrechtler von „Freshfields Bruckhaus Deringer“ ins Haus, deren Anwälte bis zu 400 Euro Honorar pro Stunde ansetzten. Der „Freshfields-Report“, der einige Fragen offen ließ, kostete den DFB mehr als die 6,7 Millionen Euro, deren verschlungene Transaktionswege der Untersuchungsgegenstand gewesen waren.
Schließlich beanspruchte auch noch Präsident Reinhard Grindel externe Unterstützung. Der ehemalige Bundestags-Hinterbänkler (CDU) wollte Profil in den sozialen Medien gewinnen – das sollte die vom ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann mitgegründete Agentur „Storymachine“ besorgen. Die Verbindung Grindel/Diekmann wurde vom DFB über Wochen weder bestätigt noch dementiert, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ heißt es jetzt, der Verband habe das Projekt aus Kostengründen gestoppt. Auf Grindels Twitter-Account wurde im Verlauf der Özil-Geschichte verstärkt geachtet, dennoch steht der DFB-Präsident deutlich unter 5000 Abonnenten (zum Vergleich: Özil hat 23,2 Millionen).
Am günstigsten und sinnvollsten ist für den DFB noch die Verbindung zur Organisation Transparency International. Von der deutschen Niederlassung der Nichtregierungsorganisation lässt er seine EM-2024-Bewerbung begleiten. Und sich von dem abgrenzen, was vor zwanzig Jahren passierte, als man für die WM 2006 antrat. Vor der WM 2018 hatte der Verband auch „Reporter ohne Grenzen“ konsultiert – um zu wissen, wie er sich auf menschenrechtlich heiklem Terrain in Russland bewegen soll.
Der hohe Beratungsbedarf des DFB ist nicht untypisch für den modernen Fußball. Die Branche ist wirtschaftlich und in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung so gewachsen, dass ein Club oder Verband die Themen nicht mehr alle selbst überblicken kann – auch wenn er eigentlich gut aufgestellt ist (wie der DFB in seiner Medien- und PR-Abteilung mit fast 30 Mitarbeitern, was die Größe jeder Zeitungs-Sportredaktion um ein Mehrfaches übertrifft).
Bei etlichen Bundesligisten gehen Consultants und Wirtschaftsberater ein und aus, der FC Bayern beschäftigte gar mal einen Terrorexperten. Der Polizeipsychologe Wolfgang Salewski, einst ein wichtiger Mann bei der Eingreiftruppe GSG9, sollte im Konflikt des Vereins mit Teilen seiner Anhängerschaft vermitteln. Vorstandsboss Rummenigge lag Salewski zu Füßen („Unser Freund Dick“), als der FC Bayern aber bemerkte, dass Salewski bei den Fans überhaupt nicht durchdrang, nahm er das Management dieser „Relations“ wieder selbst in die Hand.
Spannend nun, ob sich an der Strategie des DFB durch den neuen Partner „Hering Schuppener“ etwas ändern wird. Das bisherige Konzept des DFB war: schweigen – und wenn man was sagt, dann das Falsche.
Es kann eigentlich nicht schlechter werden.