Carnoustie – Das Ausmaß seines Golf-Märchens realisierte Francesco Molinari spätestens beim Blick in die Blätter. Die „Gazzetta dello Sport“ schenkte dem British-Open-Champion einen riesigen Artikel auf der Titelseite – selbst die krachende Niederlage von Sebastian Vettel in Hockenheim interessierte im Ferrari-Land weniger. Und die „Gazzetta“, die Molinari für seinen „aufsehenerregenden Sieg“ schlichtweg als „Legende“ bezeichnete, stellte mit ihrer Gewichtung keine Ausnahme dar. „La Repubblica“, in Sachen Auflage die Nummer zwei, huldigte dem ersten italienischen Major-Sieger für dessen „historischen Erfolg“ ebenfalls mit dem Aufmacher. Italien ist im Golf-Fieber.
„Hoffentlich saßen viele Kinder vor dem Fernseher, hoffentlich habe ich sie damit inspiriert“, sagte Molinari, der selbst vor 23 Jahren „The Open“ und den Fast-Sieg seines Landsmannes Costantino Rocca in St. Andrews vor dem TV verfolgt hatte. Dass nun ausgerechnet er einem Land den ersten großen Titel schenkte, in dem Golf „nicht unbedingt die erste Sportart“ ist, bezeichnete Molinari als „verrückt und wundervoll“.
Dabei hatte sich der Erfolg abgezeichnet. Seit dem 27. Mai nahm der Turiner an sechs Turnieren teil. Die Platzierungen: 1, 2, 25, 1, 2, 1. „Es gibt bestimmt viele Jungs, die unbedingt mit ihm spielen wollen“, sagte der ehemalige Weltranglistenerste Rory McIlroy mit Blick auf den Ryder Cup Ende September, bei dem Molinari nun eine echte Waffe im Team der Europäer sein wird. Seine Leistung auf dem schweren Kurs im schottischen Carnoustie, den er eigentlich gar nicht mag und deshalb seit 2014 bei normalen Turnieren gemieden hatte, flößte sogar den US-Konkurrenten Respekt ein. „Er hat unglaublich gespielt“, sagte Vorjahressieger Jordan Spieth: „Francesco hat sich den Hintern aufgerissen. Ich sehe ihn jeden Tag im Gym und auf der Range.“
Tatsächlich ist Molinaris Erfolg das Resultat jahrelanger Arbeit. Nachdem er sein Spiel mit den Eisen perfektioniert hatte, funktioniert nun auch das Einlochen deutlich besser. Dort, auf dem Trainings-Green, erfuhr er am Sonntag auch von seinem großen Triumgph. „Hätte ich die Schlussphase vor dem Fernseher verfolgt, wäre mir vor Aufregung wahrscheinlich übel geworden“, sagte Molinari
Der geplante Rückflug in die Wahl-Heimat London fand – wohl wegen einer großen Party – ohne ihn statt. „Ich hoffe allerdings, „dass ich trotzdem noch Zeit für ein paar schöne Tage finden und mit meiner Familie relaxen kann.“ Das Geld für neue Flüge wird der 35-Jährige problemlos aufbringen, satte 1,6 Millionen Euro ist Molinari reicher. Ein ruhiges Örtchen sollte weit entfernt von Italien liegen. Denn dort herrscht Molinari-Mania. sid