In der Sache Mesut Özil ist inzwischen so viel Porzellan zerschlagen worden, dass es nur noch Verlierer gibt. Keine der handelnden Personen hat auf der ganzen Linie Recht, jede hat Fehler gemacht, große Fehler – und die Folgen sind noch gar nicht absehbar. Nur eines steht fest: Der deutsche Fußball und all seine Werte haben nachhaltig Schaden genommen.
Es ist eine peinliche Fahrt im Populismus-Zug, bei der die Lokführer munter rotierten. Und weil man so oft entgleiste, ist es nun schwierig, zwischen Opfern und Tätern zu unterscheiden. Dass sich Özil als Opfer inszeniert, nachdem er die Fahrt an den Prellbock gesetzt hat, ist nur eine kuriose Kapriole von vielen. Immerhin begann alles mit ihm, und es dauerte an, weil er so lange schwieg. Dass er nun sogar das Wort „Rassismus“ bemüht, ist hart und kann nicht von seiner unrühmlichen Rolle ablenken. Özil hat dem deutschen Fußball nicht zuletzt durch die Umstände seines Rücktritts einen Bärendienst erwiesen, denn er nimmt in Kauf, dass jahrelange gelebte Integration plötzlich als nichtig gesehen wird. Dennoch richtet sich der Blick zurecht auch auf den DFB, der einmal mehr beweist, über keinerlei Kernkompetenz im Krisenmanagement zu verfügen.
Reinhard Grindel ist nach seinem Zick-Zack-Kurs und dem Verlust jeglicher Glaubwürdigkeit als Präsident schwer zu halten, und obwohl Karl-Heinz Rummenigge jüngst mit seinen Vorwürfen gewiss nicht komplett richtig lag, haftet ein Wort wie kein anderes nun an Grindel: amateurhaft. Der Versuch, nach der völlig verkorksten WM einfach zur Tagesordnung übergehen zu wollen, Probleme auszusitzen nach Politiker-Tradition, ist endgültig gescheitert. Und auch ein Joachim Löw, der sich bei der Causa Özil mit Billigung des Verbands in die Rolle des sportlichen Leiters zurückgezogen hatte, muss sich da noch mal hinterfragen.
Nach dem WM-Desaster schoben Grindel und auch Oliver Bierhoff Özil als Sündenbock in die Blitzlichter. Das war beschämend und durchschaubar, um von sich selbst abzulenken. Der knallharte Konter trifft den Verband umso härter, weil in sechs Wochen die Vergabe der EM 2024 beschlossen wird. Es ist ein schaler Treppenwitz, dass ausgerechnet die Türkei als einziger Mitbewerber vom zerschlagenen Porzellan des DFB profitiert. Eine Trennung von Grindel, der vor der Vergabe als Klinkenputzer eine Schlüsselrolle hätte, ist in dieser Phase heikel. Und dass der DFB im EM-Botschafter Philipp Lahm eine Persönlichkeit in der Hinterhand hat, sollte keinen täuschen. Denn solange der Populismus-Zug rollt, steigt keiner ein, der bei Trost ist.