Frankreich: Ein Ansatz von Blaupause

Noch Zeit für Maßstäbe

von Redaktion

Jeder bekommt den Weltmeister, den er verdient, und vor dem Finale war klar, dass der neue Titelträger gar nicht (Kroatien) oder nur bedingt (Frankreich) in eine Reihe mit seinen beiden Vorgängern passen würde. Waren die Italiener 2006 noch ein Relikt alter Zeiten, setzten die Spanier 2010 und Deutschland 2014 Maßstäbe, an denen die Branche sich ausrichten musste, über Jahre hinweg. Frankreich ist nun verdient Weltmeister geworden, ohne Frage. Aber es war ein Turnier des Rückwärtsgewandten, und auch die „Equipe Tricolore“ verdankt ihrem Triumph zum Großteil, dass sie wirklich alles der Taktik opferte, sogar die eigene Offensivstärke.

Das Problem dieser WM war, dass kein Trainer ein Mittel fand, gut strukturierte Defensivreihen auch von individuell schwächer besetzten Nationen zu überlisten. Das hatte spannende Spiele zur Folge, innovativen Fußball aber sah man keineswegs. Wer jetzt den Ballbesitzfußball beerdigt, macht es sich laienhaft leicht: Zwar sind die dominanten Nationen gescheitert, doch die wahre Aufgabe besteht darin, kreative Lösungen aus dieser Misere zu finden. Mag das „Umschaltspiel“, das im Grunde nur eine moderne, hurtigere Version des Konterfußballs ist, jetzt vielerorts gepriesen werden, stilbildend für Spitzenteams kann diese Art nicht sein. Was wäre denn das für ein Fußball der Zukunft, wenn keiner mehr die Initiative ergriffe, sich keiner mehr für das Schöne am Spiel verantwortlich fühlt?

Frankreich hat in dieser Sache einen Ansatz für eine Blaupause geliefert. Abgeklärt bereits in jungen Jahren ist nun aber auch der Weltmeister in der Pflicht, sich zu entwickeln. Das Team war das zweitjüngste des Turniers, hinter Nigeria. Es ist der Weltmeister, den der Fußball 2018 verdient hat – aber das Beste ist, dass er noch Zeit hat, um Maßstäbe zu setzen.

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