Rund 88 Prozent der Kroaten sind Anhänger des römisch-katholischen Glaubens, die Kirche gilt im Land als ein sehr einflussreicher Faktor. Gestern blieben die Pforten in vielen kroatischen Städten geschlossen; Gott erhielt eine hochoffizielle Verschnaufpause. Die meisten traditionellen Abendmessen wurden wegen des WM-Finales gegen Frankreich ausnahmsweise abgesagt. Generell überschlug sich das Land vor Patriotismus. Die Zeitung „Vecernji Novosti“ legte jeder Ausgabe eine CD mit „den schönsten patriotischen Liedern“ bei. Der ehemalige Tennis-Star Goran Ivanisevic schrieb für das Blatt „Jutarnji List“ einen Text, in dem er an seine Landsleute appellierte, beim Anfeuern alles zu geben: „Mensch Leute, es ist Finale – und da spielt man, solange man nicht stirbt, solange einem die Füße und Hände nicht abfallen.“ Während die Kroaten der obersten Instanz eine Pause gönnten, zog am Wochenende in Deutschland der Essener Pfarrer Gereon Alter ebenfalls Parallelen zwischen Gott und dem Fußball. Im „Wort zum Sonntag“ in der ARD sagte er, Gott sei „wie ein guter Videoassistent“. Er zeige den Menschen das Leben, wie es in seinen Augen aussehe, „der noch mal ganz anders auf alles schaut – er öffnet uns immer wieder die Augen für das Leben, wie es wirklich ist“. Der Geistliche ist ein großer Fußballfan und unternimmt immer wieder gerne Ausflüge in die Welt der Kicker. Sein Motto lautet: „Immer da, wo es um etwas geht, um Sieg oder Niederlage, um Leidenschaft und Lebendigkeit: Da hat der Glaube an Gott seinen natürlichen Platz.“ Bei den Kroaten war es gestern am Ende so, dass sie umsonst gebetet haben – abseits ihrer Kirchen. awe