München – Deutschland trägt nach dem Aus der Nationalelf in Russland schwarz – aber trauern wirklich alle in der Szene? Oder anders gefragt: Gibt es nicht sogar im Ausland Betroffene, die die Sache zumindest mit gemischten Gefühlen betrachten?
Die Gewinner
Der Münchner Schiedsrichter Felix Brych ist bei dieser WM noch nicht so eingesetzt worden, wie man es bei einem Weltschiedsrichter 2017 erwarten würde. Und als er dann mal Schweiz gegen Serbien pfiff, sah er sich ungeheuren Vorwürfen ausgesetzt. Der 42-Jährige hat generell ein Problem: Da er aus München kommt und – natürlich – im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, muss er meistens zuschauen, wenn es in die entscheidenden Phasen eines Wettbewerbs geht. Solange der FC Bayern oder die DFB-Auswahl um den Titel mitmischen, ist er zum Zuschauen verdammt. Verspätet könnte jetzt in Russland noch seine große Stunde schlagen.
Die von Joachim Löw vor der WM aussortierten Spieler lachen sich nun natürlich ins Fäustchen; der eine mehr, der andere weniger berechtigt. Im Falle von Nils Petersen muss man sagen, dass er offensichtlich schon in den Tests gegen Saudi-Arabien und Österreich überfordert war. Sandro Wagner hätten einige Fans gerne vor allem gegen die kleinen Südkoreaner die Lufthoheit behaupten sehen, doch auch der Münchner genügte höchsten Ansprüchen, beispielsweise in der Champions League, nie. Anders sieht die Sache bei Leroy Sané aus. Ein Typ wie der flinke Dribbler von Manchester City hat in jeder Partie gefehlt. Das Problem war allerdings, dass er wohl charakterlich nicht reif genug war. Er wird das freilich anders sehen. Weitere Entwicklung: spannend.
Die Bundesliga-Legionäre, die noch im Turnier vertreten sind, genießen jetzt bei den deutschen Beobachtern einen feineren Fokus. Einer wie Ante Rebic kann sich nun noch besser in Szene setzen, der Kroate von Eintracht Frankfurt soll ja ohnehin bereits beim FC Bayern auf der Liste stehen. Angeblich liegt sein Marktwert bei 60 Millionen – da muss er aber auch in den K.o.-Runden in Russland gehörig auftrumpfen, um so eine Summe auch nur ansatzweise zu rechtfertigen.
In Italien und den Niederlanden sind die Fans nicht mehr so allein mit ihrer Scham – und haben den Vorteil, dass sie sich schon lange mit der Zuschauerrolle arrangieren konnten. Geteiltes Leid, halbes Leid, sagt der Volksmund. Vielleicht fühlt es sich insgeheim sogar noch ein bisschen besser an.
Der FC Bayern kann schon jetzt für die Meisterparty im kommenden Sommer den Marienplatz buchen. So früh wie nie kehren die deutschen Nationalspieler zurück, Niko Kovac kann bereits in wenigen Wochen die Vorbereitung mit dem vollen Kader bestreiten. Jetzt muss der neue Trainer Thomas Müller und Kollegen nur noch zum Laufen bringen – aber der WM-Frust treibt Ehrgeizlinge eh an.
Die Verlierer
Die Wirte, die Bierbrauer, die Trikothändler, die Sponsoren – kurz: die Geschäftemacher werden unter dem deutschen Aus zu leiden haben. Mit einigen hat man Mitgefühl, mit anderen weniger. Aber ins Wirtshaus kann man ja trotzdem gehen. Und Bier schmeckt eigentlich immer.
Beim FC Liverpool wird in den nächsten Tagen die Angst umgehen, dass es Anrufe des DFB geben könnte. Jürgen Klopp ist eine der raren Alternativen, falls es zur Trennung mit Löw kommt. Dass jemand auch bei Jupp Heynckes im Schwalmtal anruft, gilt hingegen als hoch spekulativ.
Österreich hat sich so narrisch gefreut über das 2:1 über Deutschland kurz vor dem Start der WM – jetzt aber ist der Triumph von Alessandro Schöpf nicht mehr so imposant, wie er zunächst erschien. Den Weltmeister besiegen, das kann dieser Tage jeder. Saudi-Arabien hatte sich vor der WM auch schon wacker behauptet, und dann schlugen auch noch Mexikaner und Südkoreaner die Deutschen – die Asiaten sogar 2:0. Da wirst narrisch.
Ein doppelter Verlierer ist Mario Götze. Erst heiratete er im Mai schnell standesamtlich, weil er auf die WM hoffte. Zudem sagte er die Hochzeit, die zwei Tage nach dem WM-Finale angesetzt war, ab, weil er spätestens da wieder im Training beim BVB einsteigen wollte. Alles umsonst.