Sotschi – Der erste Blick auf die Aufstellung verführte zu der Annahme: Mannschaft total umgekrempelt. Ein irriger Eindruck. Zwei Veränderungen (Hector für Plattenhardt, Rüdiger für Hummels) ergaben sich als Folge gesundheitlicher Befindlichkeiten, bewusste Startelf-Eingriffe waren nur Rudy für Khedira und Reus anstelle Özils. Beim Abschlusstraining hatte Joachim Löw geblufft (mit Gomez und Brandt in der voraussichtlichen A-Elf). Die taktische Grundaufstellung änderte der Bundestrainer nicht. Was die Spieler dann gegen Schweden leisteten:
Manuel Neuer: Ein Spiel wie viele in seiner Karriere. Er wurde auf der Linie nicht oft gefordert, war dann aber da – wie in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit. In der zweiten war mal eine Szene, in der er leicht wegrutschte – geschenkt. Spielte gut mit, rückte bis zur Mittellinie vor. Note: 2,5
Joshua Kimmich: Machte viel Betrieb über die rechte Seite, schlug seine Flanken, nicht immer waren sie ein Präzisionswerk. Mit deutlich mehr Verantwortungsgefühl in der Rückwärtsbewegung als beim WM-Auftakt. Note: 3
Jerome Boateng: Die Entscheidung, ihn vom Platz zu stellen, war für den Schiedsrichter unausweichlich. Boateng hatte einfach das eine Foul zu viel begangen. Keines war sonderlich böse, das erste ein taktisches, das er im Dienste der Mannschaft machen musste. Allerdings hatte er auch mit einer Aktion in der ersten Hälfte massives Glück – sie hätte eher einen Elfmeter gegen das DFB-Team gerechtfertigt als das Weiterwinken durch den Spielleiter. Nach vorne war Boateng gut, zog mit seinen Diagonalpässen auf Hector das Spiel weit auseinander, war an der Entstehung einiger Chancen beteiligt. Note: 3,5
Antonio Rüdiger: Er ist nicht annähernd ein Ersatz für einen Normalform-Mats-Hummels. Von ihm war der erste große Fehler im Aufbauspiel – die erste Bruchstelle nach gutem Start. Note: 4,5
Jonas Hector: Er hat eine ganz andere Klasse als Marvin Plattenhardt. Belebte die linke Seite, das deutsche Spiel war dadurch viel weniger statisch als gegen Mexiko. Einige gute Klärungen in der Defensive. Ausgewechselt nur, um die letzte Option Julian Brandt zu realisieren. Note: 2,5
Julian Brandt: Inklusive der gut sieben Minuten langen Nachspielzeit über zehn Minuten dabei; sofort auf Temperatur. Traf den Pfosten, auch das hätte das Siegtor sein können. Er ließ noch etwas Dramatik übrig. Keine Note
Toni Kroos: Der Spieler, bei dem die Noten wohl die breiteste Skala abdecken würden, überließe man sie einem Volksvotum. Negativ: drei unsägliche Pässe, der eine führte zum Gegentor, die beiden weiteren beschworen höchste Gefahr herauf. Auch sein Stehenbleiben nach Ballverlusten bringt Leute gegen Kroos auf. Auf der anderen Seite das Positive: Dass er in der zweiten Halbzeit viel initiativer wurde, der Mannschaft voranging. Und dann eben auf den letzten Drücker dieses Meisterwerk von einem Tor. Ein komplettes Sowohl-als-auch-Spiel. Note: 3
Sebastian Rudy: Bis er mit gebrochener und blutender Nase ausscheiden musste, machte er einen soliden Job, die Kollegen weiter vorne konnten beruhigt Druck aufsetzen. Die knapp 25 Minuten haben einen anständigen Eindruck hinterlassen, Rudy („Atmen fällt schwer, Schmerzen spüre ich keine“) bleibt eine Alternative. Keine Note
Ilkay Gündogan: Ohne große Vorbereitung musste er ran, weil bei Rudy die Blutung der Nase nicht aufhörte. In einer für ihn persönlich immer noch schweren Situation machte er ein gutes Spiel. Hatte einen Hallo-wach-Schuss gegen Ende der ersten Halbzeit, unterband in der zweiten mögliche Hektik im deutschen Spiel, lieferte die überlegte Vorlage zu Julian Brandts Schuss, der an den Pfosten klatschte. Note: 3
Thomas Müller: Er spielt unfassbar aufopferungsvoll; wenn ein Offensiver hinten mal Drecksarbeit verrichtet, ist es Müller. Doch er agiert weiter unglücklich. Er war nicht gut, aber besser als im ersten Spiel, weil er sich nun zumindest in die abschlussnahen Situationen hineinarbeitet. Für die Mannschaft wichtiger, als es den Anschein haben mag. Auf seine Anfeuerungen reagieren die Mitspieler. Note: 4
Marco Reus: Nicht nur wegen seines Tores ein Gewinn. Der Gegner kann nicht absehen, wo er auftaucht, der Dortmunder zieht alle Offensivoptionen. Er schlängelt sich hinter die Abwehr des Gegners, das ist die wertvollste Qualität eines Angreifers gegen Teams, die so stehen wie die Schweden mit zwei Viererketten im Strafraum. Zurecht als „Man of the Match“ ausgezeichnet. Note: 2
Julian Draxler: An der Grenze zum Totalausfall, Musste nach 45 Minuten runter, war nur durch Offensivfouls aufgefallen. Seine Leistung schrie nach Auswechslung. Note: 5,5
Mario Gomez: Die Präsenz eines echten Mittelstürmers wertete das Angriffsspiel ab der 46. Minute auf und beschäftigte die Schweden. Weil Gomez da war und den Ball durchließ, konnte Reus das 1:1 erzielen. Im eigenen Abschluss war er nicht perfekt, wobei man seinen Kopfball, den Schwedens Torwart Olsen parierte, nicht besser setzen kann. Note: 3
Timo Werner: Als Mittelstürmer hatte er es wieder schwer (Chancenverwertung), als Linksaußen in der zweiten Halbzeit (innen brauchte Gomez Platz) war er klasse. Kam mit Schnelligkeit und im Dribbling auf die Grundlinie, brachte die Bälle gut in die Mitte. Somit Vorbereiter beider Tore (vor dem zweiten wurde er gefoult – Freistoß, den Kroos sich zurechtlegte).
Note: 2