Ein Fußballspiel dauert ein bisschen mehr als 45 Minuten

von Redaktion

Ehefrauen und Fußball, das wäre schon auch mal ein Thema. Das Mexiko-Spiel zum Beispiel haben wir neulich in großer Runde geschaut, Frauen, Kinder, Ehemänner, die meisten trugen schwarz-rot-goldene Kränze um den Hals wie ein Hawaii-Tourist beim Einchecken, auf dem Tablett stand Tequila. Die Stimmung war anfangs auch wirklich gut, dennoch schweifte die Aufmerksamkeit eines Gastes bald ab. Zum Glück entdeckte die fußballdesinteressierte Dame unseres Herzens aber ein Bücherregal. Und während der WM-Auftakt bald den Bach hinunterging, vertiefte sie sich in ein Nachschlagewerk namens „Die Kelten“.

Nun also Schweden. Zu lesen gab es diesmal nichts, aber das war halb so schlimm, weil die Gesellschaft wieder wirklich reizend war. Außerdem spielten draußen die Kinder, und da ist es grundsätzlich nie verkehrt, wenn ein Elternteil sich auch mal vom Fernseher losreißen kann. Besonders wenn unmittelbar vor dem Lokal ein Springbrunnen lockt und der Abend zu kühl ist, um ihn in triefnassen Hosen zu verbringen.

Die lieben Kleinen haben den Heimweg dann weitgehend trocken angetreten, das ist die gute Nachricht. Die weniger gute ist, dass der Heimweg bereits in der Halbzeitpause angetreten wurde. Die späte Anstoßzeit, die lange Heimfahrt, die latente Müdigkeit – all diese Faktoren hatten zur Folge, dass bei uns ein Fußballspiel am Samstagabend nicht 90 Minuten dauerte wie einst bei Sepp Herberger. Sondern ein bisschen mehr als 45.

Dieses bisschen allerdings war keine Kleinigkeit. Als wir zuhause den Fernseher anschalteten, lief Minute 88, es stand 1:1, und von einem Platzverweis wussten wir noch nichts. Mussten wir auch nicht, das Wichtigste kam ja erst noch. Als Toni Kroos zum Freistoß anlief, waren sogar die Kinder schon gewaschen. Sie hörten auch genau hin, während Kroos nach dem Abpfiff ins ARD-Mikrofon sprach, man müsse auch mal „die Eier haben“, einen Rückschlag zu verkraften. Zum Glück fragte keiner von beiden, wie das konkret gemeint sei. Eier und Fußball, das ist schon wieder ein ganz anderes Thema. marc beyer

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