WM-GESPRÄCH mit  . . . Bruno Jonas

„Merkel geht gern mal in die Kabine – aber nur zu Siegern“

von Redaktion

-Herr Jonas, Deutschland verpatzt den WM-Start – für Sie eine Überraschung oder zu erwarten?

Naja, wenn man an die letzten Testspiele denkt, dann war die Niederlage nicht überraschend. Da gab es doch große Abstimmungsprobleme zwischen den Mannschaftsteilen. Ich hatte den Eindruck, dass da einer fehlt, der das Spiel ordnen kann, so wie bei der letzten WM Bastian Schweinsteiger.

-Mesut Özil war – so sagen jedenfalls die meisten Experten – am Sonntag nicht der schlechteste Spieler auf deutscher Seite. Glauben Sie, dass die Affäre um das Treffen Özils und Ilkay Gündogans mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan das Team verunsichert hat?

Das glaube ich schon. Ich glaube auch, dass es Spieler gibt, die den beiden ganz offen gesagt haben, was sie von dieser Aktion halten. Und beim Spiel gegen Mexiko hatte ich den Eindruck, dass Özil in erster Linie für seinen Präsidenten spielt. Wenn er den Ball nicht behalten durfte, weil ihn ihm ein Gegenspieler weggenommen hat, dann hat er nicht energisch genug versucht, ihn sich wieder zu holen Aber da war er nicht der Einzige. Da fehlt es ganz allgemein am Siegeshunger.

-Hätten Sie an Jogi Löws Stelle Özil und Gündogan mit nach Russland genommen?

Ganz ehrlich – ich hätte sie zuhause gelassen! Das sind erwachsene Männer, die sehr genau wissen, was sie tun. Und sie haben Wahlkampf gemacht für einen autoritären Machthaber, der in seinem Land die Demokratie abschaffen will. Und so einem überreichen die ihre Trikots. Ja geht’s noch?

-Im „Spiegel“ wurden jüngst Parallelen gezogen zwischen Joachim Löw und Angela Merkel. Beide hätten vom Reformeifer anderer – Jürgen Klinsmann beziehungsweise Gerhard Schröder – profitiert, beide „funktionierten gut in jenen goldenen Jahren, in denen es einen Überschuss zu verwalten gab“.

Ich sehe da keine Parallelen. Aber natürlich könnte man die Positionen vergleichen, nach dem Motto: Die Kanzlerin hat die Richtlinienkompetenz in der Politik und der Bundestrainer im Fußball. Und natürlich gab es hier wie da opportunistische Entscheidungen. Bei Merkel in der Flüchtlingskrise, bei Löw bei der Frage, wen er in seine Mannschaft holt. Spieler wie Leroy Sané und Sandro Wagner lässt er zuhause, weil die vielleicht Widerworte geben könnten, Özil und Gündogan nimmt er mit.

-Kommt die Fußballweltmeisterschaft zur rechten Zeit, um die Deutschan abzulenken von den echten Problemen?

Fußball lenkt immer ab, wenn man sich ablenken lassen will. Ich lasse mich nicht ablenken. Der Streit zwischen CDU und CSU über die Flüchtlingspolitik interessiert mich mehr.

-Da machen beide Seiten die Räume eng…

Na gut, wenn Sie unbedingt eine Fußballmetapher wollen: Im Streit Angela Merkel gegen Horst Seehofer befinden wir uns bereits in der Nachspielzeit. Möglicherweise geht am Ende keiner als Sieger vom Platz. Vielleicht wird die Partie auch neu angesetzt – mit ganz neuen Mannschaften.

-Wenn Deutschland in der Vorrunde rausflöge, wäre das für Sie ein Menetekel für die Zukunft Angela Merkels?

Nein. Das Ausscheiden der Deutschen wäre vielleicht das Ende der Kabinenbesuche der Kanzlerin. Sie geht ja gerne mal in die Kabine, aber nur zu siegreichen Mannschaften.

Interview: Rudolf Ogiermann

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