Grundkurs Aufbauspiel

von Redaktion

Strategie und Personal: Was sich bei der deutschen Nationalmanschaft nach der Auftaktpleite ändern muss

Von Günter Klein

Moskau – Die Laune war angemessen schlecht bei den deutschen Spielern nach der Auftaktniederlage gegen Mexiko, die Vorsätze aber waren gut. Es fielen die Begriffe „positiv bleiben“, „Gas geben“, „mit der Situation professionell umgehen“. Jetzt sind Mannschaft und Trainer gefordert, für die nächsten beiden schicksalsschwer gewordenen Spiele (Schweden, Südkorea) Lösungen zu finden. De Langzeitpläne von Jogi Löw und seinen Zuarbeitern sind Makulatur, das Turnier hat längst vor dem Achtelfinale begonnen, ernst zu werden. In welchen Bereichen angepackt werden muss:

Taktik: „Wir haben unseren normalen Deutschland-Fußball gespielt“, sagte Thomas Müller, „allerdings mit der bekannten Konteranfälligkeit“. Gegen jede Mannschaft im Turnier ist die DFB-Elf aufgrund ihrer Weltmeister-Dekoration und ihres allseits gerühmten Personals verpflichtet, das Spiel zu machen. Das Problem seit einiger Zeit: Bei Ballverlust befinden sich viele Spieler zwischen Ball und gegnerischem, aber wenige zwischen dem nun dem Gegner gehörenden Ball und dem eigenen Tor. Es ergeben sich Räume, in denen die andere Mannschaft wunderbar ins Tempo kommen kann. Von Mexiko hatte man ein aggressiveres Anlaufen und höheres Verteidigen erwartet – die Realität war, dass das Team sich aufs Kontern verlegte.

Mit einer eigenen Führung könnten die Deutschen den Gegner initiativer werden lassen. „Aber das geht nicht mit 1:0 gegen uns“, erklärt Stürmer Timo Werner.

Verbessern muss sich die Mannschaft „im Aufbauspiel“, findet Thomas Müller. In der Tat: Daran hakt es. Sehr früh und oft ohne Not gingen die Bälle bereits verloren, wenn die Spieler weiter vorne gerade begannen, sich in die Positionen zu laufen.

Auffällig auch die Rechtslastigkeit des deutschen Spiels. Mehr links spielten nur Plattenhardt, Draxler und Hummels, die anderen zog es laut „Landkarte“ in den offiziellen Spieldaten von „In-stats“ auf die andere Seite. Linksverteidiger Plattenhardt ließ die Mannschaft mit nur 36 Anspielen fast verhungern.

Tempo: Da kommt das Alters-Thema ins Spiel. Sind einige deutsche Spieler nicht mehr frisch genug, um sich in Laufduellen durchzusetzen? In Toni Kroos und Sami Khedira hatte Joachim Löw eine Besetzung im Zentrum, die nicht zu den sprintstärksten zählt. Auch hinten einige brenzlige Momente, Mats Hummels musste einige Male das Bein sehr lang machen, um den Gegenspieler noch zu stellen. Die Jüngeren aus der Zweitbesetzung können mit mehr Speed aufwarten.

Form: „Es war nicht unser Tag“ – ein weiterer Standardsatz zum 0:1 gegen Mexiko. Die Schwäche äußert sich in einigen statistischen Kategorien. Thomas Müller verlor 15 Mal den Ball (öfter als jeder andere Spieler), hatte aber nur zwei Balleroberungen. Die Passquote lag mit 65 Prozent weit unter Schnitt. Joshua Kimmich gewann nur eines von fünf Tacklings, seine Zweikampfwerte waren negativ – bedenklich, weil er rechter Verteidiger ist. Ihn retteten in der Bewertungen seine Offensivaktionen.

Umstellungen: Löw hatte eine Elf aufgeboten, die die logische Wahl zu sein schien. Weltmeister-Gerüst plus die Aufsteiger der vergangenen Jahre, Timo Werner und Joshua Kimmich. Allein Marvin Plattenhardt, der kurzfristig für den grippekranken Jonas Hector einspringen musste, passte nicht rein – und wird weichen müssen, wenn Hector wieder gesund ist. Streiten konnte man darüber, ob nicht Marco Reus, im Test gegen Saudi-Arabien stark und spielfreudig, hätte von Anfang an spielen müssen.

An Reus, der nach seiner Einwechslung das Spiel sofort belebte, führt kein Weg mehr vorbei. Und seine Hereinnahme wird nicht die einzige Änderung bleiben. Dass Khedira nach seiner schlechten Leistung in der ersten Elf bleibt, kann der Bundestrainer der reichlich vorhandenen Konkurrenz auf dieser Position (Gündogan, Goretzka, Rudy) nicht zumuten. Toni Kroos hat kürzlich erst gesagt, das er Leon Goretzka sehr schätzt – und es ist anzunehmen, dass Löw seinen Topspieler bei dieser Besetzungsfrage mitspielen lässt.

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