Ein Gefühl wie 2014

von Redaktion

James ist bei Bayern in Schwung gekommen – und schürt in Kolumbien Träume vom Finale

VON ANDREAS WERNER

München – Auf das Hühnchen mit Reis von seiner Mama Pilar muss James in Russland verzichten, ebenso sucht er seine Lieblingslollis „Bon Bon Bum“ in den Supermärkten vergeblich – dafür aber ist seine Schwester Juana Valentina Restrepo Rubio auch im Land, als Unterstützung, sollte er mal jemanden Vertrauten brauchen. Die 20-Jährige arbeitet für das kolumbianische Fernsehen, sie hat bereits versprochen, im Zweifel nie Kritik an ihm zu üben, was praktisch ist, denn Medienschelte haben Fußballer nie gern. Andererseits ist der 26-Jährige beim FC Bayern so in Schwung gekommen, dass Kritik vielleicht gar nicht nötig ist. „Ich fühle mich wieder so wie 2014“, sagte er dieser Tage in Russland. Vor vier Jahren wurde er bei der WM in Brasilien mit sechs Treffern Torschützenkönig. Real Madrid zahlte für ihn 75 Millionen Euro an den AS Monaco.

Wenn bei James wieder alles so ist wie 2014, ist für die Südamerikaner viel drin, hoffen die Fans zuhause. In Brasilien scheiterte man erst im Viertelfinale am Gastgeber: Angst vor der eigenen Courage, nicht aus Mangel an Klasse. „Ich habe die gleichen Träume wie 2014“, so James, „wenn man große Dinge erreicht hat, will man mehr. Ich träume vom Halbfinale – oder einem schönen Endspiel.“

Heute starten die Kolumbianer gegen Japan ins Turnier, bereits vor vier Jahren stand man sich in der Gruppe gegenüber. Damals gewannen die Südamerikaner 4:1, James erzielte das letzte Tor. „Die WM zu gewinnen, wäre etwas Unglaubliches. Warum sollte ich nicht von so etwas Großem träumen“, meint er. Zunächst mal jagt er heute ein persönliches Ziel. Trifft er gegen die Asiaten, ist er der dritte Spieler der Geschichte, der in sechs WM-Einsätzen in Serie ein Tor gemacht hat. Bisher schafften das lediglich der Franzose Just Fontaine 1958 und Jairzinho (Brasilien) im Jahr 1970 – wobei beide jeweils nur eine Endrunde für ihre Marken benötigten.

Trifft er gegen Japan, schreibt er Geschichte

In der Qualifikation steuerte der Wahl-Münchner sechs Treffer und vier Vorlagen bei, in seinem Club kam er nach dem Trainerwechsel von Carlo Ancelotti zu Jupp Heynckes in Fahrt: Acht Treffer und 14 Vorlagen standen am Ende zu Buche. Über den 73-jährigen Coach sagte er, er habe sofort das Vertrauen gespürt – „wenn ich das spüre, dann geht es fast von allein“.

Nur in der Anfangszeit fremdelte er an der Isar, inzwischen sah man ihn sogar mit dem Radel in der Stadt unterwegs – in Kolumbien wäre so etwas nicht denkbar, nicht allein wegen seiner Popularität, sondern auch, weil es zuhause zu gefährlich zugeht. Vor einiger Zeit lächelte James in Kolumbien plötzlich sogar von einem Wahlplakat: Gustavo Petro, Präsidentschaftskandidat der Linken, warb mit dem Konterfei des Fanlieblings, der auf dem Poster mit den Worten zitiert wurde: „Ich kenne die Armut in meinem Land, weil ich sie selbst erlitten habe – ich will einen Wechsel. Kolumbien verdient Frieden“ Prinzipiell schließt er sich dieser Botschaft an, doch er hatte mit dem Plakat nichts zu tun. Pedro verlor am Ende die Wahl knapp. Das Volk schätzt es nicht, wenn sich Politiker mit fremden Federn schmücken.

Wie die „Deutsche Presseagentur“ berichtet, ist James nicht nur in seiner Heimat und an der Isar beliebt: Kürzlich ging er ein Geschäft mit einer Firma aus China ein, die eine Art Kryptowährung auf den Markt brachte. Sie heißt „JR10“, benannt nach James und seiner Rückennummer. Wenn er seine Träume in Russland umsetzt, dürfte der Kurs steigen. Vermutlich berichtet seine Schwester dann im Fernsehen auch darüber.

Artikel 14 von 40