Spuren für die Ewigkeit

von Redaktion

Der elffache Paris-Sieger Rafael Nadal hat das Spiel auf Sand im Blut und im Gehirn

VON DORIS HENKEL

Paris – Schon am Morgen nach dem Finale rollten die Bagger an, um Roland Garros für die Zukunft vorzubereiten. Aber kein Bagger der Welt wird es je schaffen können, Rafael Nadals Spuren an diesem Ort zu überrollen. Sie sind breit, tief und unauslöschlich; auf allen Wegen, hinter allen Hecken und in jeder Ecke steckt auf dieser Anlage irgendwas von diesem Mann. Der elfte Titel, den er mit seinem Sieg im Finale gegen Dominic Thiem gewann, hat keine größere Bedeutung als der neunte oder der zehnte, weil sich Freude und Befriedigung in gewissen Dimensionen nicht mehr steigern lassen. „Er bedeutet“, sagt Nadal, „dass es, was immer auch passiert, ein gutes Jahr werden wird und dass ich beruhigt weitermachen kann. Roland Garros zu gewinnen macht mich einfach sehr glücklich.“

Hinter einer Wand mit dem Zeichen RG für Roland Garros hatten schon vor Wochen die Bauarbeiten begonnen, an der Stelle des alten Courts No. 2. Jetzt gab dieser Bauplatz eine Idee, wie es in den elfeinhalb Monaten bis zu der nächsten French Open auf der Anlage zugehen wird. Genau an dieser Stelle entstanden die offiziellen Fotos mit dem Sieger und dem Pokal, quasi an einer Stelle des Übergangs.

Das Turnier verändert sich, aber in gewisser Weise wird Roland Garros immer der Ort bleiben, an dem der damals gerade 19 Jahre alte Rafael Nadal vor 13 Jahren seinen ersten Paris-Titel gewann. Jetzt sind es elf. Natürlich versichert er, niemals hätte er sich vorstellen können, dass es je so viele sein würden. So was kann man sich ja selbst dann nicht vorstellen, wenn es passiert. In den 13 Jahren seiner elf Titel besiegte der Spanier jeden und alle, und müsste der Nadal des Jahres 2005 in seinen Piratenhosen und seinem ärmellosen grünen Hemd gegen den deutlich schmaleren Sieger des Jahres 2018 spielen, dann hätte auch er keine Chance.

Dominic Thiem machte zumindest einen Satz lang einen starken Eindruck in diesem Finale, und alle sind sich einig, das sei nur der Anfang gewesen, man werde ihn sicher noch öfter auf dieser Bühne sehen. Aber auch er kam nicht an Nadal heran. Und es ist nicht nur dessen Athletik und Schnelligkeit, die auf dem Court Central in Paris besser zusammenpassen als auf jedem anderen Tennisplatz der Welt. Er hat dieses Spiel auf Sand nicht nur im Blut, sondern auch im Gehirn; er weiß besser denn je, seine taktische Intelligenz und die Fähigkeit zu dosieren zu kombinieren. „2005 hätte ich um jeden einzeln Punkt mit voller Energie gespielt“, sagt Nadal. „Aber mit den Jahren versuchst du zu verstehen, wo du was gewinnen kannst und wo du physisch und mental entspannen kannst. Das ist eine Frage der Erfahrung und des Alters.“

Ganz ähnlich liegen die Dinge ja bei seinem Dauerrivalen, dem 36-jährigen Roger Federer. Nach zehn Wochen Pause meldet sich der Schweizer beim Rasenturnier in Stuttgart zurück. Mit Beginn der US Open 2016 gewannen die beiden Granden abwechselnd alle Grand-Slam-Titel, nach diesem Rhythmus wäre Federer demnächst in Wimbledon wieder dran. Gestern in Stuttgart schwärmte Federer in den höchsten Tönen von seinem Kontrahenten: „Da können wir uns alle nur verneigen und gratulieren. Unglaublich. Absolut nur die Superlative bleiben da übrig. Elfmal überhaupt ein Turnier zu gewinnen, ist fast undenkbar.“

Mit dem elften Titel in Paris gewann Rafael Nadal den 17. bei einem Grand-Slam-Turnier, und das sind nur drei weniger als bei Federer. Aber Nadal sagt, das sei für ihn kein Thema. „Ich hab mich wegen solcher Dinge nie verrückt machen lassen. Klar hätte ich gern 20 wie Roger oder mehr, aber das ist nicht in meinem Kopf. Ich werde weiter kämpfen, und das ist es. Aus dieser Sache wird ganz bestimmt keine Obsession.“ Aber die Liebesgeschichte mit Roland Garros, die wird weitergehen.

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