Der smarte Oliver Bierhoff war schnell angesäuert, als ihn am Donnerstag zum Trainingslagerabschluss die Frage erreichte, warum der DFB so wenig getan habe, um den Verstimmungen der Deutschen (mehrheitlich) um Mesut Özil und Ilkay Gündogan entgegenzuwirken. Bierhoff konterte mit der Gegenfrage: „Was hätten wir noch mehr machen sollen?“ Er fand eine Spur zu herrisch: „Jetzt reicht’s auch mal.“
Aus Sicht des DFB und der Nationalmannschaft, die von politischen Themen unbelastet in die Weltmeisterschaft gehen will, ist das sicher so. Aber der DFB kann auch nicht verfügen, dass die Leute in den Stadien und an den Bildschirmen es so zu sehen haben. Es wird anerkannt werden, dass Ilkay Gündogan versucht, die Eindrücke, die aus seinem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan entstanden sind, zu korrigieren, ihm nimmt man die Nachdenklichkeit auch ab – doch das Verhalten von Mesut Özil zeugt vor allem von Ignoranz und Borniertheit. In Leverkusen wird Özil nicht spielen, damit ist er vorläufig aus der Schusslinie. Doch das Thema werden DFB und Mannschaft mit zur WM nehmen.
Vielleicht stört es, vielleicht gerät es in Vergessenheit, weil die WM so groß ist, dass sie ganz andere Geschichten schreibt, vielleicht helfen die Verwerfungen auch, dass die Mannschaft eine Wagenburg-Mentalität entwickelt wie vor vier Jahren – da war das Trainingslager komplizierter verlaufen. Von den Umständen her (schwerer Unfall bei einer Werbeaktion), von der Verletzungslage.
Die zwei Wochen in Eppan verliefen ruhig, die sportlichen Themen waren: Schafft es Neuer? Und: Warum hat Leroy Sané es nicht geschafft in den endgültigen Kader? Letztlich Alltag vor einem großen Turnier. Der Eindruck, den die Spieler hinterlassen haben: Sie sind bereit, persönliche Interessen zurückzustellen für das große Ziel der Mannschaft.
Allerdings: Das sagen sie ja immer. Erst vor Ort zeigt sich, was solche Aussagen wert sind und ob die guten Vorsätze halten. Nach zwei Wochen Vorbereitung lässt sich mit Sicherheit nur eines sagen: Dass es jetzt reicht. Aber mit freundlicherem Unterton als bei Bierhoff.