Paris – Am Ende schlug er sich mit der flachen Hand auf die Brust und traf dabei nicht nur sein Herz, sondern auch das Symbol für Roland Garros auf seinem Hemd. Vielleicht könne das ja noch eine Liebesgeschichte werden mit ihm un diesem Turnier, meinte Alexander Zverev nach seinem Sieg am Sonntag gegen den Russen Karen Chatschanow (4:6, 7:6, 2:6, 6:3, 6:3). Es war sein dritter Sieg in fünf Sätzen innerhalb einer Woche, damit steht er zum ersten Mal in seiner Karriere im Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers, und irgendwie ist es genau das, worauf die Welt des Tennis gewartet hatte.
Rückblickend betrachtet kommt einem die Geschichte jetzt wirklich kurios vor. Trotz seines rasanten Aufstieges wurde Zverev immer wieder gefragt, wie er sich die Diskrepanz erkläre – auf der einen Seite großartige Ergebnisse bei Mastersturnierern mit diversen Titeln, dagegen aber frühe Niederlagen bei den Grand-Slam-Turnieren. Ob er mental nicht stark genug sei, den Härtetest in fünf Sätzen zu überstehen oder ob es ihm vielleicht doch noch ein wenig an der Fitness fehle in harten Begegnungen über drei, dreienhalb Stunden? Nicht die Geduld verlieren, lautete seine Botschaft, das sei alles nur eine Frage der Zeit.
Und jetzt? Wären die French Open kein Grand-Slam-Turnier mit drei Gewinnsätzen für jeden Sieg, dann hätte er sowohl in der zweiten Runde gegen den Serben Dusan Lajovic, in der dritten gegen Damir Dzumhur aus Bosnien als auch am Sonntag in der vierten gegen Chatschanow verloren. Jedes Mal lag Zverev mit 1:2 Sätzen im Rückstand, jedes Mal bog er das Spiel noch um, gegen Dzumhur sogar nach Abwehr eines Matchballes. Als er nach dem Sieg gestern gegen Chatschanow gefragt wurde, ob er sich geärgert habe, als die Kritiker sagten, fünf Sätzen seien nicht sein Ding, meinte er im Bewusstsein seiner Auftritte in der ersten Woche des Turniers: „Das kann jetzt sicher keiner mehr behaupten.“
Fünf Sätze, das ist nach wie vor die Königsdisziplin auf dem Tennisplatz. Es gab auch im Spiel gegen den ein Jahr älteren Russen Phasen, in denen es so aussah, als riskiere er in entscheidenden Momenten nicht genug, als ziehe er sich zu weit hinter die Grundlinie zurück. Chatschanow spielte kraftvoll und solide. Doch aus allen Gruben, die er sich selbst grub, kletterte Zverev wieder raus. Als er den dritten Satz in kaum mehr als einer halben Stunde verlor, sah es so aus, als müsse er nun für die Anstrengungen in den Runden zuvor bezahlen. Doch dann entstand ausgerechnet in einem kleinen Disput neue Kraft. Über eine Verwarnung für verbotenes Coaching aus einer Box regte er sich kräftig auf, direkt danach gelang ihm aber ein wegweisendes Break zum 4:2.
Wie viel Sprit nun vor dem ersten Viertelfinale seiner Karriere bei einem Grand-Slam-Turnier noch im Tank ist? Er sagt, er sei zuversichtlich, auch für die nächsten Partien frisch zu sein. Fest steht, dass Dominic Thiem auf dem Weg in die gemeinsame Begegnung nicht ganz so stark gefordert wurde. Beim Sieg gegen Kei Nishikori gab der Österreicher einen Satz ab. Er sagt, er freue ich auf die Begegnung am Dienstag, das sei sicher eine Konstellation, die sich wohl die meisten Tennisfans in Deutschland und Österreich gewünscht hätten. „Wir können daraus was Legendäres machen.“
Aber es wird auch an anderer Stelle interessant. Einen Tag vor dem Knüller wird Maximilian Marterer heute im Achtelfinale das Vergnügen mit dem Titelverteidiger haben, und er wird sich nicht ganz fremd auf dem Court Central fühlen. Er war fast 18 Jahre alt, als er vor fünf Jahren erstmals gegen den Besten spielte. Auf Vermittlung seines Schlägersponsors war der Junior aus dem Fränkischen damals als Trainingspartner von Rafael Nadal auserkoren worden, beim ersten Mal machte er seine Sache offenbar so gut, dass es noch eine zweite und eine dritte Begegnung gab, und so landete er mit dem Spanier auf dem größten roten Platz der Tenniswelt. Für das aktuelle Treffen mit Nadal auf dem Court Central brauchte er keine Vermittler; die gönnte er sich aus eigener Kraft.