Kovacs Kater tut nicht weh

von Redaktion

Der erste Eintracht-Titel seit 30 Jahren als finales Geschenk

Berlin – So ein Pokalsieg als Trainer eines Underdogs, noch dazu als scheidender, und obendrein gegen den neuen Arbeitgeber, der schreibt viele Geschichten, und das war Niko Kovac durchaus bewusst, als er nach diesem, seinen finalen Coup mit Eintracht Frankfurt das Podium im Berliner Olympiastadion betrat. Aber der 46-Jährige hatte auch über Jubel, Trubel, Heiter- und Dankbarkeit noch eine andere Botschaft im Kopf, die er unbedingt loswerden wollte. Er hatte sie nicht mal vergessen, als er kurzzeitig wie ein begossener Pudel da stand. Nach der Bierdusche seiner Spieler wechselte er den Stuhl – und sagte: „Ich bin kein Moralapostel, aber ich bin ein Mensch. Und ich habe nichts, aber auch wirklich nichts verbrochen.“ Er verzog keine Miene, wischte sich nicht mal den triefenden Gerstensaft aus dem Gesicht, als er hinzufügte: „Ich habe niemanden umgebracht.“

Es gab nicht viele Momente am Pfingstwochenende, in denen man Niko Kovac ansah, wie sehr die vergangenen Wochen an ihm gezerrt haben. Das aber war – neben den Tränen im Stadion – einer davon. Von Genugtuung gegenüber all seinen Kritikern (die es in Frankfurt wie in München gibt) wollte der Kroate an diesem „epochalen Abend“ (Fredi Bobic) dennoch nicht sprechen. Vielmehr stellte er den Weg heraus, den er in zweieinhalb Jahren mit der Eintracht genommen hat. „Vom Fast-Absteiger sind wir zum Finalisten und nun zum Sieger geworden“, sagte er. Der „schwere, aber schöne Abschied“ fällt nach dem ersten Titel seit 30 Jahren leichter.

Zu den Pfiffen des eigenen Lagers vor dem Anpfiff mischte sich bei der Pokalübergabe warmer Applaus. Am Sonntag dann, nach einer Party am Brandenburger Tor, einer durchzechten Nacht, dem Autokorso vor 100 000 Fans und dem Empfang auf dem Römerberg vor weiteren 70 000 Frankfurtern wurde Kovac bejubelt. „Jetzt kann er auch zu den Bayern gehen“, sagte Kevin-Prince Boateng.

Die Frage, ob der Coup Kovacs Reputation gutgetan habe, war freilich allerorts präsent. Unweit des Münchner Rathausbalkons sagte Uli Hoeneß, Kovac sei ausgesucht worden, weil er „unsere Werte, die soziale Kompetenz, das Menschliche, das Familiäre“ verkörpere, während Hasan Salihamidzic zugab: „Mit so einem Titel wächst der Respekt.“ Dass Kovac in seinem letzten Spiel „die richtigen Knöpfe gedrückt“ habe, war auch Bayerns Sportdirektor nicht entgangen. Als eine Bilanz der Frankfurter Zeit bleibt nur eins (!) von 14 verlorenen K.o.-Spielen. Wenn es gezählt hat, war die Eintracht meist da – so wie am Samstag. Das „Glück der Tüchtigen“ (Kovac) tat sein Übriges.

In München, auch das sagte Hoeneß, muss Kovac nun „die Mannschaft dazu bringen, besser zu spielen“. Eine klare Ansage, mit der sich der Neue aber erst ab 1. Juli beschäftigen will. „Im Moment sehe ich Bayern München noch gar nicht“ war ein weiterer, bierdurchtränkter Satz von ihm. Bevor der Blickwinkel sich ändert, gilt es erst mal einen ordentlichen Kater zu verdauen. Er ist nicht wirklich schmerzhaft. hanna raif

Artikel 26 von 33