Das Jahr der Sensationen

von Redaktion

Auch Schweiz, die heimliche NHL-Nation, dekoriert sich mit Eishockey-Silber – Und Vegas steht im Stanley-Cup-Finale

Von Günter Klein

Kopenhagen/München – Und wieder, wie schon in Pyeongchang, dieses Gefühl, es könnte etwas passieren, das man nicht wird begreifen können: Dass die Regentschaft in der Eishockey-Welt an eine Nation geht, die keine der großen Sechs ist. Diese konstanteste aller Mannschaftssportarten duldet kleine Verschiebungen in der Hierarchie, aber nie Umstürze.

Bei Olympia hatten die deutschen Spieler ihre Hand an der Goldmedaille, sie führten bis in die letzte Minute hinein und hatten Überzahl. Sie verloren dann in der Verlängerung. Ähnliches erlebte nun die Schweiz: Ging im WM-Finale in Kopenhagen zweimal in Führung, überstand die 20-minütige Overtime und vollbrachte im Penaltyschießen die erste Torwartparade und den ersten Treffer – und am Ende jubelten doch die Berühmten. In Südkorea die Russen, nun in Dänemark die Schweden.

Noch eine Parallele: Von „riesiger Leere“ sprachen die deutschen Cracks in der ersten Enttäuschung am Olympia-Finaltag, knapp drei Monate später war das auch die Verlautbarung von Schweizer Seite – doch schnell setzte sich bei beiden Teams die Erkenntnis durch: Silber ist großartig. Wir sind Helden. Zeitungslob: „Herzen groß wie das Matterhorn.“

Das Eishockeyjahr 17/18 ist nun fast zu Ende, und es war geprägt von zwei Sensationen. Die von den Deutsche geschaffene war die vielleicht wuchtigere, weil sie in der Neuzeit nur einmal (Heim-WM 2010) über ein Viertelfinale hinausgekommen waren. Die Schweiz dagegen hatte mehr vorzuweisen: Nach zwei Halbfinal-Teilnahmen (1992, 98) stand sie bereits vor fünf Jahren im Finale der WM (auch gegen Schweden) – und damals nach neun Siegen in neun Turnierspielen. Noch viel besser als 2018.

Mit der Schweiz hat man nicht gerechnet bei der WM, bei der sich die NHL nach der Nicht-Olympia-Teilnahme austoben würde. Dabei ist die Schweiz auch eine NHL-Nation – viel deutlicher jedenfalls als die Deutschen, die verblendet sind von ihrem Star Leon Draisaitl. 15 NHL-Cracks sind Schweizer, sechs gehörten dem WM-Team an, unter ihnen die vier Erstrundenpicks Nino Niedereiter, Kevin Fiala, Mirco Müller, Timo Meier. Die Draft-Resultate sprechen für die Top-Ausbildung in den Schweizer Klubs. Und auch wer im Land bleibt, kann in der Regel was: wie Leonardo Genoni, der Torhüter (SC Bern). Trainer Patrick Fischer, seit 2015 im Amt, selbst Nationalspieler gewesen, lange umstritten, ist sich sicher, „dass ich noch erleben werde, als Trainer oder Fan, dass die Schweiz mal Weltmeister wird“.

Während sich Schweden und Schweiz um WM-Gold duellierten, ereignete sich in Winnipeg, Kanada, die dritte Sensation der Saison: Die Vegas Golden Knights zogen in der NHL ins Finale um den Stanley Cup ein. Sie hatten erst im Oktober 2017 den Betrieb aufgenommen. Die Liga räumte ihnen ein großzügiges Gehaltsbudget von 76 Millionen Dollar ein, doch eine Startruppe kaufte sich Vegas davon nicht zusammen.

Der neue Club glänzt nicht nur sportlich, sondern auch mit seiner PR-Strategie. Die Spieler nennen sich „Golden Misfits“ (Außenseiter). Das Spiel mit dem Image: Als Finalteilnehmer und somit bestes Team aus dem Westen bekam man einen Pokal überreicht. Kommentar der Golden Knights zum Bild: „Die uns hassen, werden sagen: Photoshop.“

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