„Brutale Qualität – auf allen Positionen“

von Redaktion

Ex-Löwe Perdedaj sorgt jetzt in Saarbrücken für Stabilität und glaubt vor den Playoff-Duellen, dass 1860 zittern muss

München – Sein Spitzname ist „Gattuso“. Entsprechend groß waren die Erwartungen, als die Löwen sich zur Saison 2016/2017 die Dienste von Fanol Perdedaj, 26, sicherten. So richtig zum Zug kam der Nationalspieler des Kosovo dann nicht im Abstiegsjahr (17 Einsätze). Auch das von Daniel Bierofka angestrebte Comeback des Defensivspielers scheiterte, nachdem sich der damals vereinslose Profi über Wochen beim TSV 1860 fitgehalten hatte. Aber: Man sieht sich bekanntlich immer zweimal im Leben (bzw. dreimal). Seit Februar sorgt Perdedaj beim 1. FC Saarbrücken für Stabilität, beim Relegationsgegner der Giesinger. Wir sprachen vor den Playoff-Duellen mit dem Mann, der einst von Otto Rehhagel mit dem italienischen Weltmeister von 2006 verglichen wurde und diesen Adelstitel mit Stolz trägt („Gattuso ist immer noch mein Vorbild“).

-Herr Perdedaj, 0:1 im Finale des Saarland-Pokals gegen Elversberg zum Abschluss des Pfingstwochenendes. Woran lag’s?

Was soll ich sagen? Elversberg hat einen Elfer gekriegt und reingemacht – wir unseren kurz vor Schluss nicht. So ist Fußball. Trotzdem haben wir ein gutes Spiel gemacht.

-Zum Abschluss der regulären Saison in der Regionalliga Südwest hatte Saarbrücken noch mal ein dickes Ausrufezeichen gesetzt: 7:1 beim Tabellenachten Steinbach. Müssen die Löwen zittern?

Es war das letzte Spiel, da wollten wir noch mal Vollgas geben und zeigen, was wir drauf haben. Ich denke, das ist uns gelungen. Von Sechzig waren ja ein paar Leute vor Ort. Ich denke, dass die viel Respekt haben werden. Der Sieg hätte auch noch höher als 7:1 ausfallen können.

-1860 ist schon länger im Playoff-Fieber, im Nu waren alle Tickets weg. Wie ist es in Saarbrücken?

Ich kenne ja die Begeisterung in München, aber hier ist sie genauso. Zwei Traditionsvereine treffen aufeinander, da wird es knallen – von der Atmosphäre her, meine ich. Alleine für unsere Fans werden wir 110 Prozent raushauen.

-Wie war denn Ihre Reaktion, als feststand, dass Ihr aktueller Klub auf Ihren ehemaligen treffen wird?

Ich hatte das irgendwie im Gefühl. Umso schöner, dass es dann auch so gekommen ist, es hätte aber auch jeder andere Gegner sein können. Ich denke, dass die anderen eher vor uns zittern als umgekehrt. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Spiele auf jeden Fall gewinnen werden.

-Im Herbst hatten Sie sich länger bei 1860 fit gehalten, sind dann aber nach Saarbrücken gewechselt. Warum?

Ich hatte ja damals noch eine Wohnung in München, deswegen hatte sich das angeboten, dass ich bei 1860 mittrainiere. Ich war damals noch in Wartestellung, hab geschaut, was für Angebote reinkamen – und bin dann nach Saarbrücken gewechselt.

-Wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten?

Ich hab mir Saarbrücken angeschaut, kannte auch einige Spieler dort – letztlich hat es für mich mehr Sinn gemacht, dorthin zu wechseln. Gute Mannschaft, die waren schon damals oben dabei. Nichts gegen 1860, aber ich habe beim FCS mehr Perspektive gesehen. Ich wollte spielen, das Finanzielle war mir egal.

-Keiner dürfte die beiden Kader besser kennen. Vergleichen Sie doch mal!

Das ist schwer. Ich kann nur sagen, dass die Qualität in Saarbrücken brutal ist, also wirklich sehr, sehr hoch – und zwar auf allen Positionen. 1860 hat auch Qualität: Sascha Mölders kenne ich gut, Nico Karger ist schnell, auf die müssen wir aufpassen. Aber die müssen noch mehr aufpassen. Die Qualität ist bei uns noch mal höher.

-Hatten Sie den Löwen zugetraut, sich nach dem Jahrhundertabsturz vorigen Sommer so schnell wieder zu berappeln?

Ja, schon. Vor allem wegen Biero (Daniel Bierofka/Red.). Er wollte unbedingt aufsteigen, dafür macht er alles und ist ja auch Meister geworden. Ich weiß allerdings nicht, ob die bayerische Regionalliga so stark ist wie unsere. Im Südwesten sind schon sehr viele gute Vereine dabei, in Bayern vielleicht drei, vier. Schon Meister zu werden, ist viel schwerer, wenn du dich gegen Teams wie Mannheim und Offenbach durchsetzen musst. Wir hatten am Ende elf Punkte Vorsprung auf den Zweiten, das sagt ja auch einiges aus. Ich hab ja früher mit Hertha II in der Regionalliga Nordost gespielt – die ist auch nicht so stark, wie man nicht zuletzt an der Dominanz von Energie Cottbus (Meister mit 31 Punkten Vorsprung/Red.) sehen kann.

-Welcher Angriff ist besser: der Saarbrücker 38-Tore-Sturm, bestehend aus Patrick Schmidt und Kevin Behrens? Oder Sascha Mölders, Markus Ziereis und Nico Karger, die zu dritt auf 46 Tore kommen?

Das ist schwer zu vergleichen. Nimmt man bei uns noch den dritt-, viert- und fünftbesten Torschützen dazu, kommt man auf über 60 Treffer. Es ist ja auch kein Zufall, dass unsere Sturmspitzen nächste Saison in der 2. Liga spielen dürfen (Schmidt wechselt nach Heidenheim, Behrens nach Sandhausen/Red.). Das sind auch zwei Spielertypen, die im Training weiterhin Vollgas geben – obwohl sie im Sommer zwei Schritte nach oben machen. Ich denke, die beiden werden alles dafür tun, um uns zum Abschied in die 3. Liga zu schießen.

-Beide Clubs bekommen im Schnitt weniger als ein Gegentor pro Spiel. Der erste Fehler könnte schon entscheidend sein, oder?

Es sind ja meistens die kleinen Sachen, die in Playoffs entscheiden. Wer einen Fehler macht, wird höchstwahrscheinlich bestraft. Aber: Fehler macht jeder, die kann man in zweimal 90 Minuten auch ausgleichen. Auch die breite Brust ist entscheidend, und die haben wir.

-Wie bewerten Sie selber Ihre Bilanz seit Ihrem Wechsel zur Rückrunde? Von 15 möglichen Spielen haben Sie zehn bestritten und zwei Tore erzielt.

Ich hab mich vor allem gefreut, dass ich wieder fit war und spielen durfte. Die Mannschaft ist ja seit Jahren eingespielt – dass ich da komme und jedes Spiel mache, das geht natürlich nicht. Trotzdem freue ich mich, dass ich der Mannschaft mit meiner Qualität helfen konnte.

-Für den Kosovo haben Sie sechs Länderspiele bestritten. Hat Ihre Position im Nationalteam gelitten durch den Wechsel von der 2. in die 4. Liga?

Das war nur schwierig, als ich das halbe Jahr ohne Verein war. Das letzte Mal haben sie mich aber schon wieder eingeladen. Ich bin zwar nicht hin, weil ich mich auf Saarbrücken konzentrieren wollte. Aber ich hoffe, dass sie mich wieder einladen werden, wenn jetzt während der WM die Freundschaftsspiele anstehen. Klar: Als Viertligaspieler ist es nie einfach, deswegen wäre ich stolz, wenn sie mich wieder anrufen.

-Vielleicht sind Sie dann auch schon Drittligaspieler. Bleiben Sie denn auf jeden Fall in Saarbrücken?

Wenn wir aufsteigen, bleibe ich auf jeden Fall hier. Über den anderen Fall möchte ich nicht reden im Moment.

Das Gespräch führte Uli Kellner

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