Lehre aus der Eishockey-WM

Gegen Rosinenpickerei

von Redaktion

Scheibenglück. Was für ein genialer Begriff. Ihn gibt es nur im Eishockey. Er ist prägnanter und konkreter als das „Der Ball ist rund“ aus der benachbarten und viel größeren Sportart.

Mit „Scheibenglück“, das, wenn es an ihm mangelt, eben Scheibenpech ist, lässt sich schon ein Stück weit erklären, warum die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen auf Platz zwei landete und das WM-Turnier ein paar Wochen später nicht unter den Top-Acht-Nationen abschließen wird. In Pyeongchang tropfte der Puck eben rein, wenn das erforderlich war – wie in den Verlängerungen auf dem Weg ins Halbfinale. In Herning/Dänemark gingen die Scheiben tendenziell eher über die deutsche Linie – und so kam es zu den belastenden Niederlagen gegen Dänemark und Norwegen (von denen wenigstens der Unentschieden-nach-60-Minuten-Trostpunkt blieb) und dem 1:3 gegen Lettland. Zurück war das olympische Scheibenglück dann am Sonntagabend gegen Finnland. Mit einem historischen Sieg (in Overtime).

Wenn denn heute zum Abschluss gegen die kanadische Startruppe ein ähnlicher Kampf geboten wird, dann hat dieses WM-Turnier, trotz einer enttäuschenden Platzierung, nicht allzu viel von dem kaputt gemacht, was mit Olympia-Silber geschaffen wurde. Im Großen und Ganzen lief es in Dänemark so, wie es die Umstände hatten erwarten lassen: Anderer Modus, der einen Außenseiter weniger begünstigt, andere Klasse der Gegner, weil viele NHL-Spieler verfügbar waren, geringere Substanz bei der deutschen Mannschaft. In der Spitze war sie mit Superstar Leon Draisaitl besser besetzt als bei Olympia, doch dem Kader fehlte die Tiefe.

Das ist aber der Punkt, der im Nachgang diskutiert werden muss. Bei allem Verständnis, dass einige Olympia-Helden sich müde fühlten am Ende dieser Saison – dann aber bitte mit klarer Rücktrittsansage (wie bei Ehrhoff, Goc, Reimer). So aber wirkt manche Absage, als hätte man sich die Rosine Olympia herausgepickt und wolle sich das Alltagsgeschäft WM sparen. Eine solche Einstellung war immer das Gift des deutschen Eishockey.

Auch wenn’s weh tut: Sich immer wieder zu stellen gehört zum Eishockey wie das Scheibenglück.

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