Einmal Hölle und zurück

von Redaktion

Hinter den Löwen liegt ein Jahr der Extreme – dem historischen Absturz folgte die Genesung dahoam in Giesing

von uli Kellner

München – Gesichtsfarbe: Wie ein Mallorca-Urlauber. Fitness: immer besser. Ebenso die Stimmung, doch das kann sich schnell wieder ändern. Wolfgang Budack ist da, wo die Löwen spielen, und weil es sich gerade so anbot, klapperte er die letzten Auswärtsstationen mit dem Radl ab. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich Budack gerade so richtig in dieser Liga der kurzen Wege einrichtet, doch weit gefehlt: „Noch ein Jahr Regionalliga pack ich nicht“, sagte er in Bayreuth, und damit meinte er nicht etwa die stark belasteten Wadln. Nein, es geht ihm um etwas anderes. Stichwort Amateurfalle.

Budack hat neun Jahre Bayernliga durchlitten und seine Angst ist groß, dass sich die Vergangenheit wiederholt – wenn es nicht auf Anhieb zurückgeht in Richtung Profifußball. Eine Befürchtung, die viele Fans teilen. Die fröhlichen Landpartien, die Giesinger Straßenfeste bei Heimspielen – würde das so weitergehen, wenn die Löwen in ein zweites (drittes, viertes . . .) Regionalligajahr einbiegen?

Jetzt, da die Relegation bevorsteht, lohnt ein Blick zurück in den letzten Sommer. Wer weiß, wo er hinwill, sollte nie vergessen, wo er herkommt. Antwort im Falle der Löwen: Geradewegs aus der Hölle. Besser gesagt: Aus dem weißblauen Nichts.

1860 stand ohne Spieler da, als im Juni 2017 alles zusammenbrach. Chancenlos in der Relegation gegen Regensburg, Verträge nichtig, Verantwortliche über alle Berge. Als Hasan Ismaik auch noch den Daumen senkte und die Millionen für die mögliche Drittligalizenz verweigerte, schien das blaue Desaster perfekt.

Was Daniel Bierofka dann schuf, in Coproduktion mit dem Insolvenzexperten Markus Fauser, gleicht vor diesem Hintergrund einem Wunder. Aus U 21-Talenten wurden Hoffnungsträger, es ging raus aus der Arena, rein ins alte 60er-Stadion. Womöglich die beste Entscheidung seit Langem, denn: Wo sonst hätten die Löwen so schnell wieder zu sich finden können? Motto: Zurück zu den Wurzeln.

Die Retro-Rechnung ging auf: Alle Spiele ausverkauft, die Stimmung im Stadion so ausgelassen wie in den Kneipen ringsrum. Genesung gelingt am besten daheim – entsprechend die Bilanz: 44 von 51 möglichen Zählern. Die Giesinger Festung half mit, die kleine Auswärtskrise zu kompensieren, die Herbstdepression nach der Verletzung von Timo Gebhart. Konstanz als größter Löwen-Trumpf. Am Ende ließen sich sogar zwei Derbypleiten verschmerzen. Vorzeitig, an einem sonnigen Samstag in Pipinsried, war das Meisterstück perfekt.

Und jetzt? Mit Südwest-Meister Saarbrücken wartet ein bärenstarker Playoff-Gegner. Zuvor gilt es noch, mit Hasan Ismaik einen finanziellen Konsens zu finden. Aufbruchstimmung mit dem Aufstieg vor Augen? Damit es mit 1860 aufwärts geht, würden Fans wie Budack einiges tun. Lieber vermutlich mit dem Radl nach Abu Dhabi fahren als weiterhin nach Buchbach und Schalding-Heining.

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