München – Nachdem „Team Profifußball“ zwei Stunden lang sich und seine Ziele präsentiert wird, ist die Löwen-Zukunft plötzlich ganz nah. Geschildert wird folgendes Szenario: 1860 schafft im Mai den Aufstieg, kratzt aber nur einen Mini-Etat zusammen, der eine bedingt drittligataugliche Mannschaft ermöglicht. Es wird November, es setzt eine 0:3-Pleite gegen Pipinsried – vor 5000 Aufrechten, die sich noch im Grünwalder Stadion verlieren. „Und dann?“, fragt einer in die Runde.
Die Frage steht noch eine Weile im Raum. Dann erheben sich sieben Männer, eine Frau und ein Hund aus einer Kulisse, die der Münchner Gastronom Thomas Hirschberger („Hans im Glück“) zur Verfügung gestellt hat. Auch das Publikum, das andächtig gelauscht hat, steht auf ohne sofort zu gehen. Es sieht zufrieden aus, was sich mit einem Blick feststellen lässt. Es ist nämlich genau ein Nicht-Funktionär und Nicht-Reporter im Raum: Franz Hell, 64.
Der um das Wohl seiner Löwen besorgte Allesfahrer sitzt nicht zufällig am Montag im vierten Stock von Hirschbergers Franchising GmbH. Hell ist verantwortlich dafür, dass der Doppelabsteiger seit gestern eine Opposition hat, eine Alternative für Sechzig sozusagen. Hell ist das prominenteste Gesicht einer Fraktion, die am 22. Juli geschlossen für den Verwaltungsrat des TSV 1860 kandidieren will. Es ist eine Gruppe, die die aktuellen Erfolge erfreulich findet – die sich aber Sorgen macht, ob der Verein in der aktuellen Form zukunftsfähig ist. Team Profifußball, wie sich die Gruppe nennt, fordert: „Raus aus der Amateurfalle.“ Rein in eine Zukunft, in der 1860 attraktiv ist für Geldgeber – selbst wenn dieser Hasan Ismaik heißt.
Doch wie kam es dazu? Hell lernte im Herbst den Unternehmer Klaus Ruhdorfer kennen, einen Leidensgenossen. Ruhdorfer scharte andere Unzufriedene um sich – und fungiert nun als Sprecher dieser Neunerriege der Frustrierten. Dem 45-Jährigen gelang es recht anschaulich darzustellen, welches Szenario die Opposition genau fürchtet: „Ist es Euch nicht auch aufgefallen? Es werden vier Viertligaspieler verpflichtet. Die zweite Mannschaft soll abgeschafft werden. Und in der Kurve werden grüngoldene Fahnen geschwenkt.“ Grüngold ist bekanntlich die Vereinsfahne des Gesamtvereins TSV 1860. In Ruhdorfers Schilderung steht sie aber für: Abkehr vom Profifußball. Einnisten im Bereich 3./4. Liga. Das vielsagende Wort „TSV Giesing“ fällt gestern nicht nur einmal.
Um künftig wieder die Chance zu haben, entferntere Ziele als Schalding-Heining und Seligenporten ansteuern zu können, geht es den Allesfahrern um Hell. Den Männern und der Schauspielerin Senta Auth („Dahoam is dahoam“), die Hell und Ruhdorfer für ihre Mission gewinnen konnten, geht es um ähnliche Ziele. Allesamt sind sie langjährige Löwen-Fans, unabhängig und wohl situiert, wie sie betonen. Und weil sie gut vernetzt sind, ahnen sie, dass es noch mehr Fans gibt, die hinter ihrem übergeordneten Ziel stehen könnten. Dieses lautet: Liga zwei oder höher: „3. Liga zählt zwar auch offiziell als Profifußball, aber nicht für uns.“ Um wieder nach oben zu kommen, fordert Ruhdorfer ein Umdenken bei allen Beteiligten: „Es muss wieder ein Miteinander der Gesellschafter geben.“ Hirschberger stellt klar: „Wir sind keine Ismaik-Vertreter, sondern vertreten den Verein.“ Um nicht gleich für Missstimmung zu sorgen, fügt Team Profifußball hinzu, den Standort Giesing auf Zukunftstauglichkeit prüfen zu wollen („Unser erstes Ziel“). Und natürlich betonen sie auch, dass sie mit dem aktuellen Präsidium um den wenig investorenfreundlichen Präsidenten Robert Reisinger zusammenarbeiten würden.
Dieser Reisinger hatte natürlich Wind bekommen vom Aufmarsch der Opposition. In der „tz“ spielte er das Auftreten der Aufständischen als „politisches Gepolter“ herunter. Die Mannschaft stehe kurz vor den Playoff-Spielen und dem Aufstieg in die 3. Liga: „Wer das für den geeigneten Moment hält, um mit persönlichem Wahlkampf für ein zu wählendes Ehrenamt im Juli Unruhe in das Vereinsumfeld zu bringen, hat in meinen Augen das Gefühl für den Sport verloren.“
Hell dagegen hat gestern neue Zuversicht gewonnen. „Jede Weltreise beginnt mit dem ersten Schritt“, sagte er: „Wenn wir unsere Sachthemen durchbringen, dürften wir eine reelle Chance habe.“ Die Fraktion der Leidenden sei größer als gedacht.