Herrsching – Jetzt, da der Frust noch frisch ist, wird sich diese eine Frage immer mal wieder aufdrängen. Natürlich wissen sie in Herrsching, dass sie nur hypothetisch ist, ein gemeines Gedankenspiel, das die Enttäuschung nährt. Trotzdem werden sie sich fragen: Was wäre gewesen, wenn der Nerv in Christoph Marks’ Rücken vor dem entscheidenden dritten Viertelfinalspiel am vergangenen Sonntag nicht gezwickt hätte? Hätte der Topscorer der Volleyball-Bundesliga verhindern können, dass der TSV Herrsching in Frankfurt aus den Playoffs ausscheidet?
Nun dürfen die Herrschinger stolz sein, Frankfurt überhaupt in ein Entscheidungsspiel verwickelt zu haben. Sie haben einen Klub angezählt, der das drei- bis vierfache ausgibt, wie TSV-Trainer Max Hauser anmerkte. Er stufe die Saison daher als „sehr, sehr gut“ ein. Im Anschluss an das aufmunternde Fazit kam aber auch Hauser nicht an einer kleinen Bemerkung zu Marks’ Ausfall vorbei. Er sagte: „Es ist bitter, dass es uns im letzten Spiel erwischt hat.“
Vielleicht wird also auch Hauser in seinem Kopf noch einmal durchspielen, wie Marks, der schlagkräftige Diagonalangreifer, den Ausgang der Serie beeinflusst hätte. Er wird sich aber nicht lange damit aufhalten, tüftelt er doch schon an der nächsten Spielzeit.
Kampf gegen den Stillstand im Klub
Denn im fünften Bundesliga-Jahr will der TSV Herrsching unbedingt neue Maßstäbe setzen. Man darf das nämlich nicht vergessen: Seinen großen Kampf führte der TSV zuletzt nicht gegen Frankfurt, sondern gegen den Stillstand im eigenen Klub.
Vor wenigen Tagen waren sich die Strategen des Volleyballvereins noch gar nicht sicher, ob sie ihr Projekt in der Bundesliga würden fortsetzen können. Ihren Verbleib in der ersten Liga knüpften sie an die Erhöhung ihres Etats. Hauser hatte kürzlich betont, er wolle in Zukunft nicht mehr überlegen müssen, ob er seinen Spielern auf einer Auswärtsfahrt das Mittagessen bezahlen kann oder nicht. Also starteten die Herrschinger einen Sponsorenaufruf, dem genug Geldgeber folgten, um die neue Saison abzusichern. Knapp 500 000 Euro stehen dem Klub nun zur Verfügung. Die Lücke zur Spitzengruppe der Liga hat die kleine Aufstockung aber freilich nicht geschlossen.
Der TSV Herrsching wird weiterhin einen alternativen Weg finden müssen, um mit den finanzstärkeren Vereinen mitzuhalten. Wie dieser aber aussehen kann, lässt sich am Fall Christoph Marks gut beschreiben.
Als der Diagonalangreifer im vergangenen Sommer einen neuen Verein suchte, ignorierten die Topklubs ihn. „Es hat sich keiner für ihn interessiert“, sagte Hauser. Herrschings Trainer aber war fasziniert, von dem schnellen Armzug, den flinken Beinen. Er vertraute Marks im Angriff viel Verantwortung an, was dieser nutzte. Mit 373 Punkten sammelte er mehr Zähler als jeder andere Profi der Bundesliga.
Über allem schwebt das Hallen-Problem
Eine Entwicklung, die auch Hauser überraschte, obwohl er sie selbst angestoßen hat. „Ich kämpfe jedes Training mit ihm“, hatte er vor den Playoffs gesagt. Vermutlich wird der Coach diesen kleinen Kampf auch fortsetzen dürfen. Wie fast alle jungen Spieler hat Marks einen Vertrag für zwei Jahre unterschrieben. Diese Bedingung hat Hauser eingeführt. Er gebe sich „gerade mit den jungen Spielern sehr viel Mühe“, weshalb es ihn ärgere, „wenn sie nach einem Jahr weg sind.“
Die flotte Entwicklung der Talente ist Herrschings größter Trumpf. Vor einem Jahr wechselte Daniel Malescha, Marks’ Vorgänger, zum Rekordmeister VfB Friedrichshafen, auch er war unter Hausers Anleitung zu einem der bestern Angreifer der Liga gereift. Dieser Ruf hilft, wenn der Trainer bald seinen neuen Kader zusammenstellt.
Eines darf man aber nicht übersehen: Die Zukunft des Spitzenvolleyballs in Herrsching wird sich dauerhaft nicht an den Entwicklungskünsten des Trainers entscheidern, sondern an einer Frage, die den Verein schon lange begleitet: Findet er endlich eine Halle, die den Vorgaben der Liga entspricht?