„Die Bayern sind ja nicht blind“

von Redaktion

Der Ex-Münchner Steinhöfer über das Sevilla-Duell, Gnabrys Klasse, Liverpools Killer Salah und Gerlands Osterhasen

München – Markus Steinhöfer kämpft mit Darmstadt um den Verbleib in der Zweiten Liga, doch der 31-Jährige hat auch schon größere Bühnen bespielt. Beim FC Bayern ausgebildet, kickte er einst an der Seite des heutigen Liverpool-Stars Mohamed Salah beim FC Basel in der Champions League, und in Spanien war er ebenfalls aktiv, ehe es ihn zwischenzeitlich zum TSV 1860 verschlug. Er war bei Betis Sevilla am Ball und weiß, wie gefährlich der FC Sevilla dem FC Bayern heute noch einmal werden kann.

-Herr Steinhöfer, das Jahr bei Betis war turbulent: Vorstoß ins Achtelfinale der Europa League, aber auch Abstieg. Wie sind Ihre Erinnerungen?

Es war sehr emotional, zumal das Europa League-Aus auch noch ausgerechnet gegen den FC Sevilla war. Sevilla ist generell eine emotionale Stadt und sehr fußballbegeistert. Beide Teams pflegen einen guten Fußball, und dass der FC Sevilla nicht wie eine No-Name-Mannschaft spielt, das haben auch die Bayern gerade in der ersten Hälfte gemerkt. So souverän war das Ganze von Bayern nicht, Sevilla hat sich da zwei Tore auch ein bisschen selber eingeschenkt. Aber die Bayern können das gut einschätzen. Sie sind professionell und werden auch das Rückspiel nicht auf die leichte Schulter nehmen.

-In der zweiten Halbzeit gingen Sevilla ein bisschen die Körner aus.

Das mag sein. Das Gegentor hat ihnen auch den Zahn gezogen, denke ich. Ohne das 1:2 halten sie das Level wohl länger, anfangs haben sie ja wirklich gut gespielt. Bayern ist aber auch das abgezocktere Team, und am Ende setzt sich Klasse in der Regel halt durch. Ich habe mir schon bei der Auslosung gedacht: In einem Duell kann es eng werden, aber in zwei Spielen, wenn alles normal läuft, kommen die Bayern weiter. Wobei du nie Garantien hast. Ich bin mit dem FC Basel auch einmal gegen Manchester United weitergekommen, obwohl sie sicher besser besetzt waren.

-Wie eng wird denn die zweite Partie?

Jetzt wird es nicht mehr eng. Zu Hause lassen sich die Bayern das nicht nehmen, und das Resultat ist ja auch eine gute Grundlage. Für mich stehen die Halbfinals generell im Grunde fest, dafür waren die Ergebnisse in den ersten Spielen einfach zu deutlich.

-Sie spielten für den FC Bayern und den TSV 1860 – ist die Rivalität der beiden Klubs in Sevilla mir der in München vergleichbar?

Nein. Zumindest aus meiner Erfahrung nicht, weil der TSV 1860 ja lange nicht mehr in der gleichen Liga spielt. In Sevilla hängt mehr Herz dran, da geht es eine Woche vorher nur noch um dieses Derby. Ich würde es eher mit Dortmund gegen Schalke vergleichen. Zu meiner Zeit haben wir mal 0:4 gegen Sevilla verloren, das war sehr bitter.

-In München hieß es in so einem Fall, die unterlegenen Spieler könnten am nächsten Morgen nicht zum Bäcker gehen. In Sevilla meidet man dann die Tapas-Bar um die Ecke?

(lacht) Erst einmal bleibt man zuhause. Vor allem für die Betis-Spieler ist es hart, denn der Großteil in der Stadt sind Betis-Fans. Betis ist der Arbeiterverein, FC ist mehr die Upper Class, die Identifikation mit Betis ist größer.

-Sie sind selbst Flügelspieler: Wie bewerten Sie die Debatte um die Zukunft von Franck Ribery und Arjen Robben?

Die Diskussion ist meines Erachtens überflüssig. Was die beiden spielen, ist absolutes Top-Niveau. Robben traf jetzt gegen Augsburg, Ribery hat in Sevilla aufgetrumpft. Ich bin sicher, beide wollen bleiben. Und es spricht nichts dagegen. Sie können nicht mehr 50 Spiele pro Saison auf Top-Niveau abrufen, aber aus dem Grund haben die Bayern ja einen großen Kader. Wie ich den Klub kenne, weiß er sein Inventar sehr zu schätzen.

-In Hoffenheim spielte die Leihgabe Serge Gnabry zuletzt stark auf. Einer für die Münchner Zukunft?

Ich glaube, dass er schon Bayern-Format bekommen kann. Hoffenheim hat einen super Trainer und eine super Mannschaft, aber Bayern hat noch einmal bessere Spieler. In so einem Umfeld kann Gnabry eine weitere Schippe drauflegen. Er wurde damals bei Arsenal nicht so beachtet, dann hat er bei Bremen schon gute Ansätze gezeigt und natürlich bei Olympia 2016 in Rio. Es liegt an ihm, ob er es in München schafft. Und die Bayern sind ja nicht blind. Die verpflichten Spieler nur, wenn sie in ihnen etwas erkennen. Mit seiner Spielweise kann er ein Bayern-Flügelmann werden, gemeinsam mit Kingsley Coman kann ich mir das gut vorstellen. In München wissen sie schon, was sie da tun.

-Sie selbst holten 2004 mit Bayern die A-Junioren-Meisterschaft und die Regionalligameisterschaft.

Wir hatten die beste Amateur-Mannschaft des FC Bayern, die es je gab, glaube ich: Mit Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Piotr Trochowski, „Zwetschge“ Misimovic, Andi Ottl, Paulo Guerrero, Michael Rensing, Christian Lell. Wir haben die Regionalliga beherrscht, das war damals die Dritte Liga. Es war eine tolle Zeit, „Tiger“ Hermann Gerland war der Trainer.

-Hatte er für Sie auch Spitznamen wie Haubentaucher oder Osterhase?

(lacht) Das hat er fast zu jedem mal gesagt. Wir wussten das aber einzuschätzen.

-Was muss denn passieren, damit die Bayern an diese erfolgreiche Zeit wieder anknüpfen können? Es kamen seitdem ja herzlich wenig Talente nach.

Das habe ich mich auch bereits gefragt. Seit Thomas Müller, Holger Badstuber und David Alaba kam nichts mehr, und das ist für einen Weltverein wie Bayern natürlich nicht gut. Die Weichen sind jetzt mit dem Campus gestellt, das Problem wurde erkannt, aber es wird sicher noch ein Weilchen dauern, bis das Früchte trägt. Es steht und fällt auch mit den Trainern. Da muss man gute Leute haben, sonst hilft auch ein neuer Campus wenig. Es wäre schon gut, wenn wie zu meiner Zeit jedes Jahr ein bis zwei Talente oben anklopfen. Man kann sie ja dann auch ausleihen, wie es bei mir der Fall war. Ein Weltverein sollte Eigengewächse im Profikader haben. Das ist ja auch eine Frage der Identifikation.

-Zumal die internationalen Transfersummen ins Astronomische steigen.

Ja, aber auch so sollte es der Anspruch sein. Was gibt es denn Schöneres für die Fans als ein Eigengewächs, das bei den Profis für Furore sorgt?

-Einer, der in der Champions League für Furore sorgt, ist Liverpools Mohamed Salah. Sie haben ihn einst beim FC Basel erlebt, als er mit 19 aus Ägypten kam. Wie war er so?

Man sah, das ist ein super Talent mit großen Fähigkeiten. Aber dass er so ein Killer wird, ist immer schwer vorauszusehen. Er hat extrem viel und schnell gelernt. Als er kam, war es freilich ein Kulturschock – und sehr kalt für ihn. Ich denke, Jürgen Klopp spielt eine große Rolle bei seiner Entwicklung. Mo war immer extrem lernwillig, sehr bodenständig und demütig. Man liest auch jetzt in den Zeitungen nichts von Star-Allüren. Das deckt sich mit dem Bild, das ich von ihm habe. Er hat das Zeug für den Olymp.

Interview: Andreas Werner

Artikel 26 von 28