München – Michael Görlitz wirkte durchaus bewegt, als er nach dem 4:1-Sieg gegen Garching bei den Reportern auftauchte. „Fühlt sich geil an“, sagte die Nummer 27 der Löwen und meinte zum einen das Feiern mit den Fans in der Kurve. Vor allem aber die Minuten zuvor, als er endlich mal wieder vor Publikum dribbeln, aufs Tor schießen und echtes Adrenalin spüren durfte: „Das letzte Mal war ich ja im Mai in einem Pflichtspiel auf dem Platz gestanden.“ Eine Ewigkeit für einen passionierten Fußballer.
Damals im Mai trug Görlitz noch das Trikot der Sportfreunde Lotte und stand bereits bei Union Berlin auf der Liste. Gerne wäre er vom Drittliga-Neuling zum Zweitliga-Dino gewechselt. Dann jedoch riss die Achillessehne und brachte Unruhe in das Leben des gebürtigen Nürnbergers. Arbeitslosigkeit, quälende Wochen in der Reha, Verzicht auf positive Emotionen und einen festen Wohnsitz – all das war neu für den damals 30-jährigen Görlitz.
Lernen musste er vor allem jene Übung, die Fußballprofis traditionell am schwersten fällt. Geduld haben heißt sie, was in Görlitz’ Fall so aussah: Warten, bis die schwere Verletzung ausheilt. Warten, bis ein neues, reizvolles Angebot reinkommt. Warten, bis die Löwen, die sich Ende 2017 meldeten, das nötige Geld beisammen hatten. Und seit Januar: Warten, bis die Fitness wieder stimmt und das Vertrauen in den eigenen Körper. Konkret aber auch: Bis Daniel Bierofka das Gefühl hatte, den Mittelfeld-Allrounder endlich von der Leine lassen zu können.
„Wie lange trainiere ich jetzt mit? Ich glaube, fast sieben Wochen“, rechnete Görlitz laut: „Vor zwei Wochen wollte ich ja schon mal ein paar Minuten spielen, aber damals hatten die Jungs was dagegen.“ Fußballerhumor. Dagegen hatte natürlich keiner was, aber nach einer Verletzungsserie im Spiel gegen Unterföhring zog es Bierofka vor, taktisch und positionsbezogen zu wechseln; im Kopf stets den Gedanken, Görlitz ja nicht zu früh der Knochenmühle des Regionalligaspielbetriebs auszusetzen.
Feinfuß Görlitz ist nämlich nicht nur ein erklärter Wunschspieler des Löwen-Trainers. Er ist auch die personifizierte Kreativhoffnung, gerade jetzt, da ein Comeback von Timo Gebhart in weite Ferne gerückt ist. Was Bierofka im langjährigen Zweitligaspieler sieht (140 Einsätze für Bielefeld, St. Pauli, FSV Frankfurt), zeigte sich am Freitag, als Görlitz endlich aufs Feld durfte. Gehandelt worden war er als möglicher Rechtsverteidiger, als Impulsgeber auf der Außenbahn – tatsächlich durfte er dann jedoch als hängende Spitze ran. Für Markus Ziereis, der sich in der Schlussphase schonen durfte. Und neben Sascha Mölders, der am Mittwoch in Fürth gelbgesperrt ist. „Als Zehner habe viel trainiert und früher auch gespielt“, sagte Görlitz. Am Ende sei es ihm aber „egal, wo mich der Trainer aufstellt. Ich bin froh, wenn ich kicken darf und freue mich über jede Minute.“
Die nach Spielkultur dürstenden Fans dürften es ähnlich sehen, doch vermutlich wird Bierofka nichts überstürzen und seinen Kreativ-Backup behutsam an die Startelf heranführen. Derzeit, so scheint es, weiß sich die Mannschaft auch anderweitig zu behelfen. „Bei den Standards sind wir eine Macht momentan“, staunt Görlitz über die neue Stärke seines neuen Teams: „Die Jungs um Mauer(sberger) und Mölders gehen da ordentlich rein. Durch so ein Tor kommen wir meistens in die Spiele rein – und mit einem Vorsprung im Rücken läuft’s dann natürlich leichter.“ uli kellner