Berlin – Leroy Sané sagt über Ilkay Gündogan: „Ich mag ihn als Typ überhaupt nicht.“ Ilkay Gündogan sagt über Leroy Sané: „Der braucht öfter einen Tritt in den Hintern.“
Mögen sie einander nicht? Doch: Sie mögen sich, sie sind Teamkollegen, nicht nur bei der Nationalmannschaft, sondern vor allem im richtigen Leben: dem im Verein, bei Manchester City. Und sie stammen beide aus dem Ruhrgebiet, wo man schon mal eine Ansage macht. Gündogan: geboren in Gelsenkirchen. Sané stammt aus Essen, hat aber lange bei Schalke gespielt.
Jetzt aber ohne ihren speziellen Schmäh: Was hätte der eine über den anderen zu sagen? Sané, 22, erinnert daran, dass Gündogan „schon vor mir verpflichtet wurde bei Manchester City – und er hat mir sehr geholfen, als ich kam.“ Und fußballerisch: „Ich sehe, was Ilkay manchmal im Training veranstaltet und denke mir: ,Wow, das kann ich nicht.’“ Gündogan wiederum meint: „Zu seinem Potenzial muss ich nicht viel sagen.“ Weil er fünf Jahre älter ist, steht es ihm jedoch zu, die Entwicklung Sanés zu reflektieren: „Er hat gelernt, den Fokus mehr auf die einfachen Dinge zu richten. Früher hat ihm bei den Drei-, Vier-, Fünf-Meter-Pässen die Konzentration gefehlt.“ Die Körpersprache sei noch nicht ganz ausgereift, aber das würden „Pep und ich“, wie Gündogan sagt, schon hinkriegen. Mit dem berühmten Tritt.
Gündogan und Sané werden morgen gegen Brasilien spielen. Sie sind zwei Topstars des deutschen Fußballs – von ihm aber ein gutes Stück entfernt. Ilkay Gündogan war zwar lange in der Bundesliga, in Nürnberg begann seine Profi-Karriere, in Dortmund war er ein Ass und vor der WM 2014 eigentlich schon am Münchner Bastian Schweinsteiger, dem Platzhirsch im zentralen Mittelfeld, vorbeigezogen. Dann befiel ihn eine rätselhafte Rücken-Verletzung, deren langwierige Therapierung ihn voller Verzweiflung sogar in ein Militärspital auf die Krim führte. Bei Manchester City riss ihm dann das Kreuzband. Er wäre bei WM 2014 und EM 2016 wohl Stammspieler gewesen – und war kein einziges Mal dabei.
Sané erlebte die EM 2016 mit. Im ersten Jahr mit Schalke war er nach oben geschossen, Bundestrainer Joachim Löw verortete bei dem Wuschelkopf aus einer Sportlerfamilie (Mutter: Regina Weber, Olympia-Medaillengewinnerin 1984 in der Rhythmischen Sportgymnastik, Vater Sammy Sané, Fußballprofi) besondere Eigenschaften, die nur Leroy hat: die Schnelligkeit, die ihn hinter die gegnerischen Linien befördern würde, die beherzte Naivität, in der er die Eins-gegen-eins-Situationen suchen würde. Doch spielen ließ Löw Sané erst, als es im Halbfinale gegen Frankreich schon zu spät war. „Es war mein erstes Turnier, ich war ein junger Spieler“, sagt Leroy Sané im Rückblick. Doch in Schwung gekommen ist seine Nationalmannschafts-Karriere auch in den zwei Jahren danach noch nicht: Für den Confed Cup 2017 sagte er ab.
Bei Manchester City ist er Stammkraft. Er steht oft in der Startelf, wird kaum mal ausgewechselt, hat acht Tore in der Premier League erzielt, das ist nicht schlecht. Er glaubt: „Ich habe einen Sprung gemacht diese Saison.“ Das ist die Frucht der stetigen Unterweisungen durch Pep Guardiola. Zu einem Beliebtheitsstatus wie Joshua Kimmich beim FC Bayern in der Pep-Zeit hat er es bei seinem Trainer aber noch nicht gebracht. „Nein, ,mein Sohn’ hat er noch nie zu mir gesagt.“
Auch Ilkay Gündogan (übrigens großer Thomas-Tuchel-Fan: „Kann jeden großen Klub der Welt trainieren“) sagt, er lerne viel unter Guardiola: „Er hat immer einen Plan, den er uns mitgibt. Wir müssen ihn nur abspulen.“ ManCity führt die Premier League überlegen an, ist in der Champions League dabei. Ilkay Gündogan fühlt sich fit und gesund, und er kann nur hoffen, dass das Pech ihn diesmal verschont: „Aber vorsichtig in ein Spiel zu gehen ist keine Option.“