Die Gefahr lauert bei Auswärtsspielen

von Redaktion

Briten randalieren erneut – Beispiel Prag und die Deutschen zeigt: Auch klar erkennbare Störer kommen straflos davon

Von Günter Klein

Amsterdam/Berlin – Das Übliche – möchte man fast sagen zu dem, was sich am Freitag zugetragen hat: Englische Fußballfans, betrunken, losgelassen auf Amsterdam.

Das Amsterdamer Rotlichtviertel ist eine Touristenattraktion (auch tagsüber), es ist von Kanälen durchzogen, verwinkelt, nicht weit vom Zentralbahnhof. Rund um Fußball-Länderspiele trifft man hier immer Fans.

Videos und Bilder von dem, was vor dem Testspiel Niederlande – England geschah, fanden schnell den Weg in die sozialen Medien und dort ihr Publikum: Eine englische Fan-Gruppe auf einer Brücke, ein Kahn mit arglosen Reisenden schippert daher – und bekommt eine Bierdusche ab. Dann wurde noch ein Fahrrad in Wasser versenkt. Ein Bistrotisch hinterher. So ging es los. Die Polizei trat auf den Plan, und irgendwann standen sich uniformierte Einheiten und Fan-Pulks gegenüber wie im Krieg. Es wurde geknüppelt, über 90 Hooligans aus England wurden vorübergehend festgenommen, 35 von ihnen landeten für eine Nacht im Ausnüchterungsknast. „Eine Schande“, sagte Englands Trainer Gareth Southgate, der auch darüber bestürzt war, dass viele der Engländer, die es dann noch in die Arena geschafft hatten, die Hymne der Niederländer mit Schmähgesängen begleiteten.

Konsequenzen für die sich daneben benehmenden Fußball-Anhänger? Möglich. Zumindest wurden die Personalien festgestellt und die Vergehen benannt – Grundlage für ein Ermittlungsverfahren. Doch wieder einmal hat sich gezeigt, dass die Gefahr für Verbände – in diesem Fall die englische FA – bei Auswärtsspielen lauert. Zwar kann jeder Verband sein Kontingent an Eintrittskarten kontrolliert vergeben – doch er weiß nicht, wer über andere Kanäle (Online, Bekannte, Schwarzmarkt) noch zugreift. Und schließlich wird oft auch ohne Ticket zu Länderspielen gefahren. Wegen des Drumherums.

Zu der Thematik passt die Mitteilung, dass sämtliche Ermittlungen rund um das Spiel vom 1. September 2017 in Prag, das deutsche Hooligans zu einem Skandalspiel gemacht hatten, eingestellt worden sind.

Die körperlichen Ausschreitungen waren – abgesehen von einigen Vorfällen in Kneipen rund ums Stadion – nicht massiv gewesen, verstörend jedoch die verbalen Ausfälle im Stadion: Vor allem die „Sieg-Heil“-Rufe aus einem mit militant auftretenden Deutschen besetzten Block. Eigentlich ein Heimsektor, doch das für die Tschechen ziemlich bedeutungslose Qualifikationsmatch gegen den DFB war nicht ausverkauft gewesen.

Mats Hummels verurteilte noch vor der Abreise der Mannschaft die Umtriebe (es waren auch Schmähungen gegen den deutschen Spieler Timo Werner zu hören gewesen), man war anders als üblich nach Schlusspfiff auch nicht zur Kurve gegangen; DFB-Präsident Reinhard Grindel prophezeite, man werde „eine Reihe von Strafverfahren sehen“, Bundestrainer Löw hatte zunächst nichts mitbekommen, regierte zwei Tage danach und nach Sichtung von Aufnahmen und Berichten seiner Akteure mit einer klaren Stellungnahme: „Unterste Schublade, zutiefst verachtenswert. Wir sind nicht deren Nationalmannschaft – und die sind nicht unsere Fans.“

Es gab – dank moderner hochauflösender Kameras – bestechendes Bildmaterial vom Störer-Block, den die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) auf 250 Beteiligte einschätzte; auch der DFB stellte seine Aufnahmen zur Verfügung, der zuständigen Staatsanwaltschaft Düsseldorf wurden neun Gigabyte Daten zugänglich gemacht. Doch gegenüber dem WDR-Magazin „Sport Inside“ musste Staatsanwalt Patrick Rieck einräumen: „Man kann den Beschuldigten die konkrete Straftat nicht nachweisen.“ Zwar sieht man Gesichter, verzerrt vom wilden Schreien – doch kommt der jeweiligen Person da gerade der unter „verfassungsfeindliche Zeichen“ fallende „Heil“-Ruf über die Lippen?

Man weiß also, woher die „Störer“ kamen: aus Dresden, Leipzig, Dortmund, Regensburg oder von der Gruppe „Nordische Wut“ aus Rostock – teilweise wurde in der Szene damit geprahlt, dass man in Prag gewesen wäre.

Bei den über die offiziellen Kanäle des DFB ausverkauften Heimspielen gegen Spanien und morgen in Berlin haben polizeibekannte Hooligans keine Chance, in die Stadien zu kommen. Und die Gästefans bereiten ohnehin keine Probleme: Es sind überwiegend hier lebende Spanier und Brasilianer – verbunden der hohen Fußballkultur ihres Landes.

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