München – Der langjährige Fan des Hamburger SV war bereit, alles zu geben, um das Schlimmste zu verhindern. In einem Offenen Brief wandte er sich an die Redaktion der „Hamburger Morgenpost“: er werde Jann-Fiete Arp seine Original-Eintrittskarte für das Europacup-Finale von 1983 schenken, wenn der junge Mann, der mit seinen 18 Jahren bereits als „Jahrtausendtalent“ gefeiert wurde, nur bitte, bitte beim HSV bleiben würde. So viel Opferbereitschaft rührt, ganz besonders angesichts der aktuellen Situation in der Hansestadt; der Abstieg droht akut. Recht viel mehr als die Erinnerung an die guten, alten Zeiten bleibt dem Anhang nicht mehr. Für jüngere Menschen: 1983 gewann der HSV den Europacup der Landesmeister. Ja, der HSV!
Der Klub blickt, heute mag man das kaum mehr glauben, auf eine glorreiche Vergangenheit zurück. Die Gegenwart ist trist, wird immer trister – und die Zukunft, sie ist drauf und dran, sich zu verabschieden. Verständlich. Sobald die Lockmittel von 1983, aus dem letzten Jahrtausend, das rührige letzte Faustpfand sind, wird es brenzlig. Um ein Talent zu halten, das von Europas Elite hofiert wird, gehen dem HSV die Argumente zusehends aus. Im Falle eines Abstiegs wird sich Arp verändern. Auch wenn er das selber gar nicht unbedingt anstrebt.
Die Vorzeichen verdichten sich, dass sein Weg zum FC Bayern führt. Auch wenn es noch keinen Vollzug zu vermelden gibt. Er wolle die Entwicklung seines HSV, zu dem er im Alter von zehn Jahren kam, noch abwarten, heißt es aus dem Lager des gebürtigen Schleswig-Holsteiners. Laut „Bild“ wies er ein erstes Angebot von der Säbener Straße zurück, doch das letzte Wort ist da noch nicht gesprochen. Angesichts der angespannten Lage rund um den Bundesliga-Dino wäre es unklug, bereits jetzt einen Umzug in den Süden zu bestätigen. Fahnenflucht will er sich nicht vorwerfen lassen, und schon gar nicht, solange zumindest eine theoretische Chance auf den Ligaverbleib vorhanden ist. Man darf es Arp abnehmen, dass er bis zuletzt alles geben möchte und sich derzeit nicht mit Alternativen ablenkt. Die Münchner hingegen müssten sich etwas anhören, wenn sie nicht ihre Fühler nach dem derzeit größten Sturmtalent ausstrecken würden.
Arps Vertrag läuft noch bis 2019, aber im Abstiegsfall sieht die Welt anders aus. So ein Talent verschwindet nicht in der Zweitklassigkeit, das ist klar, auch wenn die Bayern ihn im Falle eines Zuschlags zunächst ausleihen würden. Sein Stern ging auf, als er am 7. Spieltag in der 89. Minute gegen Bremen eingewechselt wurde – als erster Spieler, der in diesem Jahrtausend geboren wurde. Einen Spieltag später machte er gegen Hertha gleich sein erstes Tor; freilich ist er damit der jüngste Torschütze in der langen HSV-Geschichte.
Tore, Tore, Tore sind sein Markenzeichen. In der Jugend traf er in einem Spiel 16 Mal. Im letzten Sommer gelang ihm bei der U-17-EM in Indien gegen Bosnien-Herzegowina binnen 13 Minuten ein Hattrick; so schnell war kein Junior je zuvor. Für seine Leistungen erhielt er Ende des letzten Jahres die goldene Fritz-Walter-Medaille, die der DFB jährlich für seine Jahrgangsbesten reserviert, unter anderem erhielten sie einst Toni Kroos, Mario Götze, Leon Goretzka und Emre Can.
Mängel hat er dennoch: es hapert am Kopfballspiel, trotz einer Körpergröße von 186 Zentimetern, und auch sein linker Fuß ist weitgehend ungefährlich. Aber der Abiturient ist klug genug, um zu wissen, dass er noch hart an sich arbeiten muss. Sein Vorbild ist Harry Kane von Tottenham Hotspurs, der mit 24 Jahren Europas Fußball gehörig aufzumischen beginnt.
Laut diversen Medienberichten hat Hasan Salihamidzic bei Arp angeklopft. Der Sportchef der Bayern konnte dabei eine Abkürzung nehmen. Das HSV-Juwel wird von Jürgen Milewski beraten, und der kümmerte sich auch stets um die Interessen von Salihamidzic. Milewski wurde übrigens 1983 mit dem HSV Europacup-Sieger. Aber für nostalgische Geschenke ist es wohl trotzdem nicht mehr die richtige Zeit.