Als Typ sympathisch altertümlich – als Spieler erstaunlich modern

von Redaktion

Bernard Dietz, ehemaliger Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, feiert 70. Geburtstag: Mit Fußball als Show kann er nichts anfangen

Von Günter Klein

Düsseldorf – Sein Vorname ist oft falsch geschrieben worden: Bernhard. Weil einer, der für den Fußball im Ruhrgebiet steht und den man immer lehmverkrustet und abgekämpft vor Augen hat, eben nicht Bernard heißen kann. Zu französisch, zu nasal, zu nobel. Die mit Bernard Dietz spielten oder die Fans, die ihn verehrten, nannten ihn aber eh beim Spitznamen: Enatz. Heute hat er einen runden Geburtstag, den 70.

Dietz war ein Verteidiger klassischer deutscher Prägung, eine Fortführung der Modelle Horst-Dieter Höttges und Berti Vogts. Einer, der die Gegner noch mit der Grätsche bezwang. Seine große Zeit: die späten 70er, die frühen 80er. Der Bundestrainer Jupp Derwall machte ihn zum Kapitän, so war es Bernard Dietz, der 1980 in Rom den EM-Pokal hochheben durfte. Die Stars im Team waren aber andere: Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Allofs, der Finalheld Horst Hrubesch, im Mittelfeld der aufstrebende „blonde Engel“ Bernd Schuster. Und sein erstes Länderspiel machte bei diesem Turnier in Italien (mit acht Nationen noch überschaubar) der junge Lothar Matthäus.

Man tut Dietz nicht Unrecht, wenn man ihn einen Defensivspezialisten nennt. Weil er bei seinem MSV Duisburg aber der prominenteste Spieler war, fiel es auch in seine Zuständigkeit, die Mannschaft anzutreiben. So kam er in 394 Spielen für den MSV zu erstaunlichen 70 Toren, vier gelangen ihm im legendären Match gegen den FC Bayern im November 1977. 6:3 für Duisburg. Dabei sollte er Kalle Rummenigge auf den Füßen stehen – „und dann habe ich die Bayern abgeschossen“. Er sagte mal, mit seinen Vorstößen „habe ich schon ein Stück den modernen Fußball prägen können“.

Wohl wahr. Dennoch steht Enatz Dietz für eine gewisse und sympathische Altertümlichkeit des Fußballs. Er gehörte noch zu einer Generation, die einen Beruf erlernt hatte: in seinem Fall Schmied (was ihn zwei Finger kostete). Er war bedingungslos vereinstreu. Duisburg verließ er erst, als man ihm keinen Vertrag mehr gab. Er weinte. Das Revier verließ er nicht, spielte noch fünf Jahre für Schalke. Und Dietz ließ sich vom Geschäft, zu dem der Fußball wurde, nicht verbiegen.

Er wollte in seinem Sport bleiben, Trainer sein. Aber lieber im Jugend- und Amateurbereich. Wenn er sich breitschlagen ließ, weiter oben auszuhelfen, ging das schief. 1999 wurde er Bundesliga-Trainer beim VfL Bochum, er hielt es nur drei Monate aus im „Haifischbecken“, wie er sagte. „Mich macht es einfach bekloppt. dass sich im Fußball alles nur noch um Kohle und Selbstdarstellung dreht. Wir haben 30 Prozent Fußball und 70 Show.“ Und das schon vor fast zwanzig Jahren.

2001 sprang er in der 2. Liga ein zweites Mal ein. Die Ergebnisse stimmten, doch wie damals die FAZ analysierte, „stieß Dietz mit seinem Idealismus an Grenzen“. Er kam nicht klar damit, dass Spieler nach einer Niederlage lachend vom Platz gingen oder nach einem Unentschieden in der Disco feierten.

Er hat sich dann wieder beim MSV Duisburg engagiert, sich als Mitglied des Vorstands gegen den finanziellen Niedergang gestemmt und freut sich, dass der Meidericher Sport-Verein wenigstens wieder in der 2. Liga gut mitspielt. Wichtig ist ihm: „Der Einsatz muss stimmen.“

Er ist noch immer der Duisburger schlechthin. Zum 70. wird eine Filmdokumentation über ihn erscheinen. Er ist Kult. Das Vereinsmaskottchen, ein Zebra, wurde – Ergebnis einer Wahl unter Fans – nach ihm benannt.

Enatz. Nicht Bernard.

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