Düsseldorf – Er war da. Der Mann, den man zuletzt auf Bildern von einem überraschenden Urlaub in Südostasien gesehen hatte: Manuel Neuer. Er ist ja seit fast zwei Jahren offiziell der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Nur hat er das Amt kaum ausfüllen können. Die Verletzungen. Besonders diese eine, die wiedergekehrte: Mittelfußbruch.
Manuel Neuer ist also am Dienstag einigermaßen überraschend bei der Nationalmannschaft aufgetaucht – auch ohne Nominierung, die aufgrund seines Status als Immer-noch-Rekonvaleszent gar nicht angesagt wäre. „Es war auch nicht wegen der Marketingmaßnahmen“, erklärte DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Vielmehr habe Manuel Neuer sich grundsätzlich vorgenommen gehabt, „dass er im März mal wieder bei der Mannschaft vorbeischaut – um sich mit den Trainern und den anderen Spielern auszutauschen“. Dass er in die Werbeaufnahmen, die im Umfeld der Weltmeisterschaft laufen sollen, eingebaut wurde, soll freilich auch eine Botschaft sein: Rechnet mit ihm. Bierhoff sagt: „Wir hoffen, er ist zu hundert Prozent fit, wenn wir ihn nominieren.“
Es konnte wie 2014 sein – oder doch ganz anders. Vor vier Jahren hatte es den Bayern-Torhüter im Pokalfinale gegen Dortmund an der Seitenlinie auf die Schulter gelegt – er konnte dann den Arm nicht mehr richtig heben, an die klassischen Paraden, an Fangen und Fausten war nicht zu denken. Im Trainingslager in Südtirol musste fast jedes spezifische Training vermieden werden, Neuer lief und dribbelte ein bisschen. Erst in Brasilien, wenige Tage vor dem Auftaktspiel gegen Portugal konnte er sich Schüssen stellen.
Damals verpasste Neuer bis auf Training und zwei Testspiele aber nichts. „Nun“, meint Oliver Bierhoff, „ist es anders, weil die Praxis fehlt“. Als ehemaliger Feldspieler maßt er sich kein Urteil an, welche Rolle es für einen Torhüter spielen mag, wenn er über Monate und am Ende wohl nahezu ein Jahr keine Matchpraxis hat. Daher hat er bei Bundestorwarttrainer Andy Köpke nachgefragt. Der meint: „Bei gezieltem Training mit Spielformen wird ein Welttorhüter sich relativ schnell wieder aneignen, was er braucht.“ Die Spritzigkeit dürfe halt nicht verloren gehen.
Oliver Kahn ist da skeptischer, wie er im Interview mit Sport1 andeutete. Er findet, dass Praxis wichtig sei, „Manuel sollte vor der WM schon noch das eine oder andere Bundesligaspiel machen.“ Er selbst hat es vor knapp zehn Jahren erfahren müssen, wie in ein paar Monaten ohne gezieltes Training Gefühl und Timing verloren gehen können. Nach dem Karriereende betrat er einige Monate den Platz nicht – bei seinem Abschiedsspiel versprangen ihm dann die Bälle, flog er zu spät – so dass damals ein leicht entsetztes Raunen durch die Arena ging. Allerdings: Kahn war’s auch egal.
Was Neuer betrifft: Der hat ja noch Ziele. Im rein Körperlichen sieht Bierhoff bei ihm auch kein Problem: „Stück für Stück kann er mehr belasten, das ist ein gradueller Aufbau, irgendwann gibt es die medizinische Freigabe.“
Bayern-Kollege Thomas Müller sagt: „Ich sehe Manu öfter, er macht einen guten Eindruck. In die medizinische Sachlage bin ich aber nicht eingeweiht. Ich könnte Details also nicht verraten, selbst wenn ich welche müsste.“
Sein Tipp: „Wie ich Manu kenne, ist er nie abzuschreiben.“ Daher erwartet er ihn zur WM zurück. „Aber jetzt muss man halt über irgendwas diskutieren.“