Hamburg – Während Klubchef Frank Wettstein mit fahlem Gesicht noch den Glauben an das Wunder vom Klassenerhalt beschwor, fiel der Hamburger SV wenige Meter weiter auseinander. Draußen vor dem Stadion prügelten die Fans los, die Polizei reagierte mit Tränengas und Schlagstöcken (Bilanz: neun Verletzte). Und dann ließ auch noch Kyriakos Papadopoulos seinen ganzen Frust raus und pöbelte gegen den neuen Trainer Christian Titz.
Dessen Aufstellung sei „nicht die beste Lösung“ gewesen, meckerte der auf die Bank verbannte Papadopoulos nach dem 1:2 (1:0) gegen Hertha BSC. Es sei „total schade, dass ich nicht spiele und dass manche erfahrene Spieler nicht in der Mannschaft waren“, sagte der Innenverteidiger, der in der Vorsaison das Gesicht der Rettung war: „Die Mannschaft braucht diese Spieler.“
Offene Worte, die nicht ohne Folgen bleiben dürften für Papadopoulos. „Wir werden solche Aussagen nicht tolerieren“, sagte Wettstein mit ernstem Blick: „Er hat sich und uns keinen Gefallen getan. Er hat nicht das Recht, die sportliche Situation zu ignorieren.“ Sogar eine Suspendierung des Griechen scheint nicht ausgeschlossen.
Die „Hoffnung“, den Absturz in die Zweitklassigkeit doch noch abzuwenden, „stirbt zuletzt“, hatte „Papa“ zudem gesagt, aber „es wird schwer, es wird eng“. Die Hertha-Fans sangen schon: „Endlich 2. Liga – HSV!“
Sieben Spiele hat der taumelnde HSV noch, sieben Punkte Rückstand sind es bis zu Relegationsrang 16. Aber Wettstein, nach dem Aus von Heribert Bruchhagen alleiniger Vorstand, will weiter an das Wunder glauben. „Wir können natürlich auch die Tabelle lesen“, sagte er, aber es sei noch „nicht der Moment“ gekommen, „in dem man sagt: ’Das ist nicht mehr möglich’. Es wird halt immer schwieriger.“
Und dies haben sich die Hanseaten selber zuzuschreiben. Titz ging volles Risiko, brachte nach seiner ersten Trainingswoche fünf neue Spieler und Torwart Julian Pollersbeck, Antreiber Matti Steinmann und Co. konnten zunächst auch überzeugen, Douglas Santos (25.) brachte den HSV in Führung. Doch in der zweiten Halbzeit brach die mit 23 Jahren und 359 Tagen jüngste HSV-Startelf seit dem 5. Januar 1974 ein – Valentino Lazaro (56.) und der eingewechselte Salomon Kalou (63.) drehten die Partie. Und am Ende war der HSV wieder einmal überfordert.
„Wir haben es nach dem Seitenwechsel nicht mehr geschafft, den Druck aufzubauen und sind in Rückstand geraten. Gegen einen Gegner wie Hertha wird es dann schwer“, sagte Titz: „Uns ist es leider nicht mehr gelungen, Torchancen zu erspielen, um das Spiel wieder zu drehen.“
In der Länderspielpause muss der Nachfolger von Bernd Hollerbach nun vor allem daran arbeiten, dass sich die Mannschaft nicht völlig auflöst. Papadopoulos kündigte in seiner kleinen Wutrede bereits an, in der 2. Liga nicht mehr für den HSV spielen zu wollen, gestandene Profis wie Dennis Diekmeier, Mergim Mavraj, Walace, Andre Hahn und Sven Schipplock schafften es gegen Hertha nicht einmal in den Kader.
Schwer vorstellbar, dass Titz sie von seinem Weg überzeugen kann. Der neue Trainer sprach, seine Personalentscheidungen betreffend, hingegen von einem „völlig normalen Vorgang“. Papadopoulos wird er sich aber noch einmal vorknöpfen. „Wir haben uns mit jedem Spieler in dieser Woche beschäftigt. Aber wir klären das intern“, sagte der 46-Jährige.