WINTER-PARALYMPICS

Die Goldhuberin

von Redaktion

Die Münchnerin Anna Schaffelhuber feiert zweiten Triumph und ist nun insgesamt siebenfache Paralympics-Siegerin

Von Thomas Niklaus

Pyeongchang – Anna Schaffelhuber wollte eigentlich nur noch ins Bett. Doch die Party mit Familie und Freund Michael ließ sich das „Golden Girl“ des deutschen Behindertensports nach ihrem zweiten Coup trotz aller Müdigkeit nicht entgehen. Es war am Sonntagabend eine erneute Jubeltour durch das Alpenhaus von Pyeongchang für die 25-Jährige, die dem extremen Druck getrotzt und nach der Abfahrt auch im Super-G triumphiert hatte. Dies war zugleich ihr siebter Sieg in Serie bei den Paralympics nach fünfmal Gold in Sotschi 2014!

„Sie ist Wahnsinn“, sagte Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbands (DBS), voller Anerkennung und drückte seine Vorzeigeathletin herzlich. Schaffelhuber, die in Höhenkirchen bei München lebt und in München studiert, konnte sich vor Glückwünschen ohnehin kaum retten. Hier ein Küsschen, dort eine Umarmung – und am Samstag dann auch noch ein sporthistorischer Handschlag: Sogar Kim Mun Chol, Präsident des nordkoreanischen Paralympic-Komitees, verneigte sich vor Schaffelhuber.

Kim habe ihr gesagt, berichtete die Monoskifahrerin vom TSV Bayerbach später, dass er sich wünsche, „dass Nord- und Südkorea irgendwann wieder zusammen sind“. Schaffelhubers spontane Replik auf die staatstragenden Worte: „Das wünscht sich die ganze Welt.“

Große Politik und große Emotionen lagen bei „Anna Goldhuber“, wie sie von Gerd Schönfelder, dem bislang erfolgreichsten Paralympics-Starter, kurzerhand getauft wurde, an diesem beeindruckenden Wochenende ganz nah beieinander. Bei den Siegerehrungen im Zielraum hatte sie Tränen in den Augen, als sie ihren Liebsten auf der Tribüne glückselig zujubelte.

„Das ist unfassbar. Es kann keiner auf dieser Welt fühlen, wie es mir geht. Ich habe einen Traum gehabt, und der ist in Erfüllung gegangen. Ich bin umso glücklicher und völlig gelöst“, sagte Schaffelhuber. Auch Beucher bekam das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. „Sie ist eine Ausnahmeathletin“, schwärmte Beucher mit der Deutschland-Fahne in der Hand.

Die Erleichterung war nach der enormen Erwartungshaltung deutlich spürbar. Doch schon nach Gold in der Abfahrt hatte der Star der Sotschi-Paralympics betont, dass der Druck „jetzt völlig weg“ sei. „Wesentlich lockerer“ fuhr sie daher gestern im Super-G der sitzenden Klasse und gewann vor der Österreicherin Claudia Lösch (0,95 Sek. zurück) und der Japanerin Mumoka Muraoka (1,34).

Für die seit Geburt querschnittsgelähmte Schaffelhuber gibt es noch drei Chancen: morgen in der Super-Kombination, im Slalom (Donnerstag) und im Riesenslalom (Sonntag). Sie sei aber jetzt schon „extrem tiefenentspannt. Ich kann jetzt voll riskieren.“ An einen erneuten Fünffach-Coup verschwendet sie aber (noch) keinen Gedanken: „Das wird extrem schwierig.“

Einen starken Auftakt bei den Alpinen erwischte auch Andrea Rothfuss (Mitteltal). Die 28-Jährige, der von Geburt an die linke Hand fehlt, holte in der stehenden Klasse Silber in der Abfahrt und im Super-G jeweils hinter Marie Bochet (Frankreich). „Ich bin superhappy und habe nicht damit gerechnet“, sagte sie: „Das macht Lust auf mehr.“ Diese Worte hätten auch von Schaffelhuber sein können.

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