Auf den Punkt gebracht

von Redaktion

Auch 2018 rumpelt es im Spiel der Löwen, die sich aber wenigstens auf ihre Stärke bei Standards verlassen können

von uli kellner

München  – Als fast alles zum 3:0-Sieg des TSV 1860 gegen Seligenporten gesagt war, wartete noch eine kleine Konzentrationsübung auf Daniel Bierofka, der wie seine Spieler eine anstrengende Woche hinter sich hatte. Ein ausländischer Reporter, woher auch immer, fragte auf Englisch – der Löwen-Coach machte ein überraschtes Gesicht, wechselte dann aber gekonnt in die Muttersprache seiner Frau Nicole. „Es ist wichtig, dass wir gewonnen haben“, sagte er in passablem Englisch: „Immer wenn wir gewinnen, müssen die anderen auch gewinnen.“ Die Situation an der Spitze der Regionalliga, griffig zusammengefasst. Bierofka lobte noch die Atmosphäre auf Giesings Höhen, den „Teamspirit“, die Identifikation der Spieler mit dem Verein – und verließ das Stadion dann in der Hoffnung, dass der Druck, den die Löwen mit ihrer Sechs-Punkte-Woche ausgeübt hatten, Wirkung entfalten würde.

Da jedoch wurde er enttäuscht. Einen Tag nach dem Aufstiegsfavoriten waren die Mitbewerber gefordert – und auch sie meisterten die Aufgaben, die der Spielplan für sie bereithielt. Der Hauptwidersacher FC Bayern II schlug Augsburg (2:1). Nürnberg II, der nächste Verfolger (der aber nicht für die 3. Liga gemeldet hat), fertigte Illertissen ab (3:0). Ingolstadt II siegte klar bei Schalding-Heining (3:1), und Schweinfurt nahm nach einem Auf und Ab drei Punkte aus Memmingen mit (4:3). 1860-Sportchef Günther Gorenzel hatte ja kürzlich die Devise ausgegeben, „nicht alle zwei Stunden auf die Tabelle zu schauen“. Das jedoch war diesmal gar nicht nötig, denn: Die Abstände an der Spitze bleiben gleich, alles ist weiterhin eng beisammen, wenn man berücksichtigt, dass zum Beispiel Ingolstadt drei Spiele weniger absolviert hat – und die Löwen am kommenden Montag zum Spitzenspiel empfängt.

Vorher jedoch steht für 1860 das Heimduell mit dem Tabellenletzten Unterföhring an, und die Löwen tun gut daran, den designierten Absteiger nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Dass dazu keinerlei Anlass besteht, belegten alle drei Auftritte 2018, die jeweils einem ähnlichen Strickmuster folgten: Drei frühe Führungen, dreimal schlugen die Löwen kein Kapital aus ihrer optischen Überlegenheit, dreimal ließen sie sich durch Kleinigkeiten aus dem Tritt bringen.

Beim 2:2 in Nürnberg war es ein Fehler des seitdem nicht mehr berücksichtigen Rechtsverteidiger Eric Weeger, der das Spiel kippen ließ. Gegen Buchbach führte ein Freistoßhammer zum 1:1-Pausenstand und weißblauer Ratlosigkeit. Am Freitag schließlich schien das Bierofka-Team von kollektiver Frühjahrsmüdigkeit befallen, die die Gäste aus der Oberpfalz gefährlich lange im Spiel hielt – bis zum zweiten Treffer von Markus Ziereis (77.) und dem finalen Freistoßkracher von Philipp Steinhart (86.).

Hängen bleibt die positive Erkenntnis, dass es zwei Tugenden gibt, auf die sich die Löwen in Zeiten spielerischer Einfalt verlassen können: auf ihre Heimstärke (37 Punkte aus 14 Spielen) – und auf eine sagenhafte Stärke bei ruhenden Bällen, die längst auch in gegnerischen Kabinen ein Thema ist. „Es ging darum, die Standards zu verteidigen. Da hat Sechzig einfach brutale Qualität“, sagte Seligenportens Coach Roger Prinzen und stellte ernüchtert fest: „Da hatten wir was in der Hose, was da nicht hingehört.“

Die Qualität der Löwen auf diesem Sektor hat sich nicht nur am Freitag als spielentscheidend erwiesen. Schon gegen Buchbach waren beide 1860-Treffer aus Standards gefallen (Elfmeter, Freistoß). Gegen Seligenporten waren es ebenfalls zwei. Vor dem 1:0 in Minute 16 war ein langer Schlag von Daniel Wein auf dem Kopf von Jan Mauersberger gelandet, der weiter zu Vollstrecker Ziereis köpfelte. Beim 3:1 nagelte Steinhart erstmals seit seiner Rückkehr im Herbst einen Freistoß direkt in die Maschen.

Heimstärke gepaart mit Standardstärke – momentan der größe Trumpf der Löwen im Aufstiegskampf. Um ihr großes Ziel zu erreichen, sollte sich das Bierofka-Team aber auch spielerisch steigern, denn diesbezügliche Defizite sind nicht einmal dem Gästecoach verborgen geblieben: „Aus dem Spiel heraus habe ich die Qualität der Löwen nicht gesehen“, stichelte Prinzen: Gegen diese Löwen sei am Freitag „mehr möglich gewesen“. Auch Ziereis gab zu: „Wir haben heute echt nicht gut gespielt, haben schlecht umgesetzt, was der Trainer von uns verlangt hat. Aber am Ende zählt das Ergebnis – und das hat heute gepasst.“

Die gute Nachricht aus Sechziger-Sicht: Dank ihrer Hauptwaffe, den Standards, sind Ziereis und Co. auch für künftige Spitzenspiele gerüstet. Die schlechte: Heimspiele stehen nur noch vier auf dem Programm. Sieben der ausstehenden elf Spiele finden auf fremden Plätzen statt, wo die Löwen nur eines der letzten fünf Spiele gewonnen haben.

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