Der unberechenbare Faktor Olympia

von Redaktion

Von Günter Klein

München – Die mitreißendste Szene des Spiels zwischen München und Iserlohn war, als Anthony Camara, aktuelle Neuverpflichtung der Roosters, die 3:2-Führung erzielte. Eruption im kleinen Fanblock aus dem Sauerland, Eruption bei der Mannschaft. Mit dem einen Treffer war Iserlohn in der Blitztabelle um vier Plätze in die Top Sechs und schon sicher ins Viertelfinale gehüpft. Der Augenblick verweilte jedoch nicht lange: Iserlohn musste den Ausgleich hinnehmen, zudem schoss Köln in Ingolstadt sein 1:0-Siegtor. Letztlich wurde Iserlohn Achter. Auch okay: „Wenigstens Heimrecht in den Pre-Playoffs“, sagte Trainer Rob Daum.

Münchens Stürmer Maximilian Kastner sagte, man habe sich nach dem Spiel in der Kabine erst mal orientieren müssen: Wer ist wo gelandet, wer könnte ein Gegner im Viertelfinale sein, wie der „Playoff-Baum“ für den EHC aussehen? Am Freitag oder Sonntag wird man mehr wissen. Iserlohn, Bremerhaven, Schwenningen – gegen eines dieser Teams wird es losgehen nächste Woche. Drei Tage haben die Münchner Spieler frei – Zeit, das Geschehen seit September Revue passieren zu lassen.

War es eine gute Saison für die DEL? Ja. Bis zum 50., 51. Spieltag (von 52) herrschte Spannung am Platz-zehn-Strich (Teilnahme an den Pre-Playoffs), bis in die letzte Minute ging es darum, wer es noch auf die Plätze fünf und sechs schafft – der Modus bewährte sich also wieder einmal.

Worin die DEL der Fußball-Bundesliga ähnelt: München steht oben, souverän und mittlerweile in Serie, der EHC gewann zum dritten Mal in Folge die Hauptrundenmeisterschaft (was in der DEL noch nicht vorgekommen war). Was die Ligen unterscheidet: Im Eishockey verliert ein Spitzenreiter viel öfter. 16 Mal passierte das dem EHC München, also in fast jedem dritten Spiel.

Trotz der Ausgeglichenheit der Liga ergab sich am Ende aber das Bild, das die sieben Klubs, die eine konzernähnliche Struktur haben, vor den sieben landeten, die die traditionell strukturierten Vereine sind.

Wie sieht sich München? „Ich bin stolz, das war in Sachen Konstanz die beste Saison, die wir gespielt haben“, analysiert Trainer Don Jackson. Der US-Amerikaner war lediglich einmal verstimmt (nach einer Serie von drei Niederlagen gegen Wolfsburg, Nürnberg, Bremerhaven im November), nahm gelegentliche Aussetzer aber gelassen hin. „Wir haben eigentlich immer irgendwie gepunktet.“ In der Mannschaft hat sich der Glaube verfestigt, „dass wir es auch mal aufholen können, wenn wir drei Punkte zurückliegen“ (Kapitän Michael Wolf). Jackson: „Wir haben das Ziel erreicht, die meisten Tore zu schießen.“ Im Powerplay war München Nummer fünf der Liga, in Unterzahl Zweiter.

Jackson wird auf die Playoffs „die gleiche Vorbereitung“ wie letztes Jahr wählen. Das Plus seiner Truppe sieht er in der Kategorie „Leadership“. Er vertraut auf seine erfahrenen Anführer Aucoin, Jaffray, Wolf.

Was hat die Konkurrenz drauf? Nürnberg hat sich darauf konzentriert, ein Defensivsystem zu entwickeln, das dem EHC München in einem direkten Playoff-Duell (müsste das Finale sein) nicht nehagt. Die Ice Tigers haben zuletzt aber den zweiten Platz noch verloren an die Eisbären Berlin, deren Form allerdings der ERC Ingolstadt über´bietet, seit er von Doug Shedden trainiert wird. Der Deutsche Meister von 2014 ist der offizielle Geheimtipp für die Playoffs, hat mit dem finnischen Verteidiger Ville Koistinen den besten Spieler der DEL. Mannheim und Köln haben sich nach katastrophalen Phasen gefangen. Wolfsburg, dreimal in Folge im Finale, fehlen die drei besten Stürmer, seit der Abschiedsankündigung des Trainer-Zuchtmeisters Pavel Gross scheint die Luft heraus zu sein.

Welchen Einfluss hat der Faktor Olympia? Der Zuschnitt dieser Saison liefert die größte Unwägbarkeit. München und Mannheim haben große Fraktionen, die in Pyeongchang hart belastet wurden, Köln, Nürnberg und Berlin traf es mit je drei Leuten nicht so sehr. Bei Ingolstadt dagegen konnten sich alle Feldspieler drei Wochen in Ruhe auf den Rest der Saison vorbereiten.

„Am wichtigsten wird sein, wie man die Regeneration managt“, sagt EHC-Coach Jackson. Doch Erfahrungswerte für eine solche Situation wie heuer gibt es nicht. „In meiner Karriere hatte ich das ohne Verletzung noch nie: drei Wochen nur Training“, so der Münchner Nicht-Olympia-Teilnehmer Maxi Kastner.

Alles offen also: Beflügelt das Erlebnis Silber (scheint bei Mannheim und Köln der Fall zu sein)? Oder sättigt es die, die im Fall München schon zwei Meisterschaften (2016, 17) gewonnen haben? „Für Siege gibt es kein Limit“, meint Jackson. Die These kommt auf den Prüfstand.

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