Pyeongchang – Wolfgang Maier gab sich alle Mühe, keine Anzeichen von Enttäuschung aufkommen zu lassen. „Wir haben zwei Läufer unter den Top 10, das ist aller Ehren wert“, sagte der deutsche Alpin-Sportdirektor, „vor allem, wenn man bedenkt, woher wir kommen.“ Von ganz unten, bekanntlich. Und doch war in den letzten Tagen und Wochen eine Erwartungshaltung entstanden, in der das Ergebnis des olympischen Abfahrtslaufs eher mit gedämpfter Freude aufgenommen wurde. „Wenn du Fünfter wirst“, sagte Thomas Dreßen, „dann gibt’s eben keine Medaille.“ Wobei er hinzufügte: „Ich glaube, dass ich mich trotzdem ganz gut verkauft habe.“
Das klang schon fast wie eine Entschuldigung. Dabei hatte der Mittenwalder mit dem 5. Rang für das mit Abstand beste deutsche Abfahrtsresultat gesorgt seit Markus Wasmeier 1992 in Albertville (4.). Doch in den letzten Tagen und Wochen hatte der 24-Jährige eben für derart großes Aufsehen gesorgt, dass er zu den Mitfavoriten gezählt wurde. Da war der Sieg auf der Streif, der ihn zum Ausnahmekönner adelte. Und dann fuhr er auch noch Bestzeit in der Kombinations-Abfahrt im Jeongseon Alpine Center. So gesehen war Dreßens Fahrt zwar gut, aber nicht gut genug, um die große Hoffnungen, die sich allseits breit gemacht hatten, zu erfüllen. Zum Olympiasieger Aksel Lund Svindal (Norwegen) fehlten Dreßen letztlich 0,78 Sekunden.
Der Oberbayer, wie schon in der Kombi mit der Nummer 1 unterwegs, lieferte für den Rückstand auch eine Erklärung: „Die Form ist da. Das hat man gesehen. Aber ich war zu wenig am Limit unterwegs. Wahrscheinlich bin ich die eine oder andere Passage ein bisschen zu sauber gefahren. Das sah zwar locker aus, aber meistens ist locker nicht genug.“
Alpin-Chef Maier wies vor allem auf die ermutigenden Aspekte hin: „Thomas ist mit Abstand der Jüngste, der sich im Top-5-Bereich bewegt. Ich sehe eine absolut positive Perspektive.“ In jedem Fall habe sich die Aufbauarbeit der letzten Jahre gelohnt: „Wir haben unsere Zielstellung, auch in der Abfahrt in der Weltspitze mitzufahren, erreicht.“ Eine Einschätzung, die auch durch Andreas Sanders 10. Platz bestätigt wurde. Wobei sich dieser ähnlich selbstkritisch zeigte wie Dreßen: „Es war nicht ganz schlecht, aber ich kann’s besser. Es hat die letzte Entschlossenheit gefehlt.“
Dreßen richtete den Blick unterdessen schon nach vorn: „Mei“, sagte er, „das sind Sachen, aus denen lernt man für die Zukunft.“ Und die begann ja schon heute Nacht mit dem Super G.
Österreich erlebt ein Debakel
Trübsal herrschte dagegen bei der klassischen Abfahrer-Nation. Bester Österreicher war Vinzenz Kriechbaum als Siebter, Matthias Mayer, der Olympiasieger von 2014, landete auf Rang neun – ein Debakel. Letztmals hatten die Austria-Abfahrer 1960 so schlecht abgeschnitten.
Dagegen jubilierten die Norweger. Aksel Lund Svindal, seit über einem Jahrzehnt der König der schnellen Rennen und schon 2010 Super-G-Olympiasieger, setzte sich vor seinem Landsmann Kjetil Jansrud (0,12 Sekunden zurück) und dem Schweizer Beat Feuz (0,18) durch. Es war das erste Abfahrtsgold für Norwegen überhaupt. Der „Fluch“, von dem die norwegischen Zeitungen seit Tagen berichteten, hatte damit ein Ende. „Oben war ich nicht so richtig im Rhythmus“, erzählte Svindal, der fünffache Weltmeister, „aber vom zweiten Sprung an bin ich um mein Leben gefahren.“
Auch Thomas Dreßen zeigte sich von Svindals Fahrt beeindruckt. „Aksel ist ein Vorbild für jeden von uns“, sagte er, „für mich ist das noch ein größerer Ansporn, weil ich sehe: Was er erreicht hat, will ich selbst auch mal schaffen.“ Hohe Ziele sind das.