Gold-Traum in zwei Zimmern

von Redaktion

Lölling und Hermann kämpfen ab heute um Skeleton-Sieg

von hanna raif

München – Das Einzelzimmer gab es nicht direkt zum Geburtstag geschenkt – aber seitdem Jacqueline Lölling 23 Jahre alt ist, hat sie voll und ganz ihre Ruhe. Der Geburtstag der Skeleton-Weltmeisterin nämlich fiel auf den ersten Tag im Olympischen Dorf, und weil Lölling die gesamte Saison über die Beste im starken deutschen Team war, schläft sie seit der Ankunft in Pyeongchang alleine. „Das ist bei uns so geregelt“, sagt Tina Hermann, Gesamtweltcup-Zweite und bis jetzt Einzelzimmer-Inhaberin. Sie ist im Athletendorf Mitbewohnerin ihrer Berchtesgadener Kollegin Anna Fernstädt, der dritten Deutschen, die heute und morgen (jeweils 12.20 Uhr MEZ) kopfüber um Medaillen im Eiskanal kämpft.

Umgewöhnen mussten sie sich alle drei, schwergefallen ist es aber keiner. „Die Zimmeraufteilung ist mir egal“, sagt Lölling, die sich zumindest darüber freut, dass ihr Schlitten aufgrund der neuen Konstellation ins Apartment passt. Getüftelt werden konnte also bis zum Schluss, auch noch nach dem Abschlusstraining, bei dem jeweils ein Mal Lölling und ein Mal Hermann die Schnellste im „Alpensia Sliding Center“ war. Schon da hat man gesehen, dass die beiden Freundinnen wieder ärgste Konkurrentinnen sein werden. „Knapp auf Augenhöhe“, sagt Lölling. „Ich schätze mich nicht viel schlechter ein“, sagt Hermann.

Lässt man die reinen Fakten sprechen, ist die Sauerländerin Lölling Top-Favoritin auf den Sieg und damit die erste deutsche Goldmedaille in der erst 16 Jahre langen olympischen Geschichte der Sportart. Den Weltcup hat sie im laufenden Winter dominiert, vier Saisonsiege und den Gewinn der großen Kristallkugel gefeiert. Die große Kunst ist es nun, sich selbst nicht zu viel Druck zu machen. Lölling denkt da vor allem an ihr Alter, sagt: „Ich habe immer im Kopf, dass ich sehr jung bin.“ Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass alles andere als eine Medaille für den Shootingstar der vergangenen beiden Jahre eine Enttäuschung wäre.

„Es geht um Gold“, sagt sie selber, während Hermann, die in diesem Winter nie ganz oben stand, kontert: „Ich habe mir den Sieg aufgespart.“ Beide haben das Zeug dazu, wissen aber – nicht zuletzt durch zahlreiche durchwachsene Trainingsfahrten im Lauf der letzten Woche –, dass auf dieser tückischen Bahn alles möglich ist. Die „Kurve 9“ ist spätestens seit dem Scheitern von Rodler Felix Loch jedem ein Begriff, auf dem Skeleton aber ist auch die „Kurve 2“ eine Schlüsselstelle. Lölling: „Da kann man Rennen gewinnen – und verlieren.“

Vier Mal muss alles perfekt laufen. Der Start, die Linie, die Geschwindigkeit von bis zu 120 km/h. Lölling will die beiden Tage angehen, „wie jedes andere Rennen auch“. Das heißt, dass die beiden Konkurrentinnen auch stets Kontakt zueinander suchen.

„Vor dem Start sagen wir uns: Hau rein! Danach gratulieren wir uns“, sagt Hermann. Beide versichern: Zickereien gehören nicht dazu. „Von Anfang an“ sei das so gewesen, erzählt Lölling, die schon als Kind gemeinsam mit der knapp drei Jahre älteren Hermann trainiert hat. „Sicher“ gebe es auch „Phasen, in denen man sich auf die Nerven geht. Aber meist haben wir viel Spaß miteinander“. Zudem „pusht der Konkurrenzkampf“. Jede will immer besser sein als die andere.

Auch wenn die Zimmeraufteilung offiziell egal ist: Dass sie die Nacht zwischen den Wettkampftagen getrennt verbringen, ist wohl besser so. Geträumt wird in beiden Zimmern von: Gold.

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