280 Sekunden für die Ewigkeit

von Redaktion

Aljona Savchenko und Bruno Massot gewinnen das erste deutsche Paarlauf-Gold seit 66 Jahren

von andreas frank

Pyeongchang – Nach 280 Sekunden für die Ewigkeit klatschte sich Katarina Witt die Hände wund, die beste Paarlauf-Kür der Eiskunstlauf-Geschichte trieb ihr die Tränen in die Augen. Bei Aljona Savchenko und Bruno Massot waren da längst alle Dämme gebrochen.

Vor allem Savchenko schluchzte, weinte und zitterte in der Gangneung Ice Arena überwältigt vor Freude und Erleichterung, nachdem sie ihr Lebensziel erreicht hatte. Noch Stunden später, als endlich die ersehnte Goldmedaille an ihrem Hals baumelte, schossen ihr schon wieder die Freudentränen in die Augen: „Ich habe Geschichte geschrieben“, sagte sie, „das ist es, was zählt. 30 Jahre habe ich dafür gearbeitet.“

Die Eiskunstlauf-Welt lag den neuen Olympiasiegern zu Kufen. „Aljona und Bruno waren perfekt. Es war ein bewegendes Traumprogramm“, sagte Witt, die Olympiasiegerin von 1984 und 1988 über das Duo, das in Pyeongchang Historisches vollbrachte.

Es war nicht nur das erste deutsche Paarlauf-Gold seit 66 Jahren (1952 in Oslo gewann das Ehepaar Ria und Paul Falk), spannende Aufholjagd inklusive, was die Zeit für exakt 280 Sekunden stillstehen ließ. Aljona Savchenko und Bruno Massot versprühten pure Magie. Alles gelang, alles floss, kein Wackler, keine Unsicherheit störte.

Und als bei den Oberstdorfern die ersten Tränen getrocknet waren, wollte die 34- Jährige die Bedeutung ihres seit 16 Jahren herbeigesehnten Tages nicht kleinreden: „Das ist der Moment meines Lebens, es ist eine unglaubliche Geschichte.“

Sogar das Datum war etwas ganz Besonderes. Vor exakt 34 Jahren ging bei den Spielen von Sarajevo der getanzte Bolero von Jayne Torvill und Christopher Dean in die Sportannalen ein. Mittlerweile ist Dean ein gefragter Choreograph und schuf für Savchenko und Massot eine Kür für eistanzende Paarläufer. Das deutsche Paar trug sogar ähnliche Kostüme wie die legendären Briten 1984.

Vielen erschien diese Kür zur Filmdoku-Musik „Die Welt von oben“ schier „unlaufbar“, im alles entscheidenden Moment bewiesen die Vize-Weltmeister aber das Gegenteil. Überwältigt von Emotionen, sanken sie am Ende noch auf dem Eis eng umschlungen zu Boden. Savchenko: „Es war nicht geplant, es ist einfach so passiert.“

Durchkalkuliert war hingegen nach dem Patzer des gebürtigen Franzosen im Kurzprogramm die Aufholjagd zum Gold. Trainer Alexander König verhängte ein 24- stündiges Presse- und Facebook-Verbot, um Savchenko nach zweimal Bronze 2010 und 2014 doch noch zum Olympiasieg zu führen.

Sein Paar gelobte Besserung und lieferte, der Coach lobte: „Ich bin Trainer, da sagt man nie, alles ist perfekt. Aber Aljona und Bruno waren einfach richtig gut.“ Er wies allerdings auch darauf hin, wie knapp das eisige Duell geendet war, „es hätte auch andersherum ausgehen können.“

Am Ende trennten ganze 0,43 Punkte die Olympiasieger aus dem Allgäu von den Weltmeistern Sui Wenjing und Han Cong aus China, die dem Druck nicht standhielten und Fehler machten. Und so reichte der inoffizielle Kürweltrekord von 159,31 Punkten für Savchenko/Massot zum Gesamtsieg.

Den Hauptanteil an diesem Triumph reichte König an seine Musterschülerin weiter: „Aljona ist von einer unglaublichen Kreativität.“ Im Gegensatz zu seinem Trainervorgänger Ingo Steuer hatte König dies schon kurz nach dem gemeinsamen Trainingsbeginn 2014 erkannt: „Da habe ich wohl irgendwie den Korken aus der Flasche geholt.“

Auch die Deutsche Eislauf-Union (DEU) durfte sich als Gewinnerin fühlen, auch wenn ihre beiden Olympiasieger das Eislaufen nicht in Deutschland gelernt haben. „Aber“, sagte DEU-Sportdirektor Udo Dönsdorf, „wir haben den Mut gehabt, auf einen deutschen Trainer zu setzen, der sich zusammen mit dem Paar positiv entwickelt hat.“

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