Loch ereilt die Höchststrafe

von Redaktion

Gold scheint ihm fast sicher, dann scheitert er an der berüchtigten Kurve 9 – ein Nutznießer ist Ludwig, der Bronze holt

Von Armin Gibis

Pyeongchang – Felix Loch traf mit gesenktem Kopf im Ziel ein. Schwer geschlagen, frustriert, den Tränen nahe. Eben war ausgerechnet ihm, dem König der Rodler, Unfassbares widerfahren. Souverän in Führung liegend, entglitt ihm auf seiner vierten und letzten Fahrt das schon sicher geglaubte Gold. In der berüchtigten Kurve 9 war er angeeckt, ins Schleudern gekommen, nur mit Müh und Not konnte er sich noch auf dem Schlitten halten. Statt Olympiasieger war er am Ende nur Fünfter. Mit tieftrauriger Miene saß Loch schließlich auf seinem Gefährt, sein Vater Norbert, der Bundestrainer, nahm ihn in den Arm und spendete Trost.

Einer der Nutznießer dieses Malheurs war Johannes Ludwig (Suhl), dem überraschend noch die Bronzemedaille zuteil wurde. „Es war ein großer Tag für den Rodelsport“, erklärte der schon 31-jährige Olympia-Debütant, „man hat gesehen, dass nicht nur das Material entscheidet.“ Rodel-Legende Georg Hackl sagte über Ludwig, der am zweiten Tag noch von Rang acht auf drei vorgefahren war: „Mich freut es wahnsinnig für ihn, das ist ihm sehr zu gönnen. Danke, dass er für uns die Medaille geholt hat.“ Von seinem Team fast erdrückt wurde der Österreicher David Gleirscher, der sich – er konnte es zunächst selbst kaum glauben – noch die Goldmedaille schnappte. Silber ging an der Amerikaner Chris Mazdzer.

„Ich war mir absolut sicher, dass Felix das macht, dass er es runterbringt“, sagte Hackl, „aber Fehler können jedem passieren. Die Kurve neun ist auf dieser Bahn der Scharfrichter.“ Loch ereilte gestern die Höchststrafe. Hackl: „Sein kleiner Fehler hatte große Wirkung.“ Doch es erwischte in der Kurve 9 nicht nur den Berchtesgadener. „Es sind reihenweise Favoriten rausgeflogen. Freuen wir uns, dass ein paar Newcomer ganz vorne gelandet sind.“

Loch (28) hätte an diesem Abend den goldenen Hattrick vollenden können. Bereits 2010 und 2014 war er Olympiasieger geworden. Dreimal Gold in Serie – das schaffte bisher nur Hackl. Da Loch auch noch Team-Gold auf seinem Konto hat, wäre er mit insgesamt vier Olympiasiegen der erfolgreichste Rodler überhaupt geworden. Und der zwölffache Weltmeister schien auf bestem Wege. Im zweiten Durchgang fuhr er Bahnrekord, vor dem finalen Lauf lag der Hüne vom RC Berchtesgaden mit komfortablen zwei Zehntelsekunden vorne.

Von allen Favoriten war Loch zu diesem Zeitpunkt der einzige, der sich schadlos gehalten hatte. Weltmeister Wolfgang Kindl (Österreich) verspielte seine Chancen mit einem Fehler im ersten Durchgang und wurde Neunter. Europameister Semen Pawlitschenko (Russland) war mit völlig holprigen Läufen als 14. chancenlos.

Loch hatte schon in den vergangenen beiden Saisons den Nimbus des Unantastbaren etwas eingebüßt. Mal bremsten ihn Materialprobleme, mal war er krank, und auch die Geburt seines Sohnes Lorenz schien ihn etwas aus dem Rhythmus gebracht zu haben. Immerhin holte Loch diesen Winter den Gesamtweltcup und gewann vier Rennen. Hackl, sein langjähriger Mentor, setzte voll auf ihn. Loch sei im Wettkampf stabil wie kaum ein anderer: „Gut rodeln können viele, das haben wir zuletzt ja häufig gesehen. Aber der unbedingte Wille, über Monate und Jahre den Fokus so scharf zu halten – das hebt Felix von den anderen ab.“ Doch der dreifache Olympiasieger hatte sich getäuscht. Loch scheiterte an der Stelle, die er selbst als Schlüssel zu Gold bezeichnet hatte. „In Kurve 9 wird der Olympiasieg entschieden.“ Nach dem Rennen hinterließ er nur ein kurzes Statement: „So ist das halt im Sport. Es waren drei gute Läufe – und ein beschissener.“

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