Leise Töne aus der zweiten Reihe

von Redaktion

Assistent Hermann vertritt den erkrankten Heynckes gegen Schalke erfolgreich, aber genießen kann er den Auftritt nicht

von marc beyer

München – Peter Hermann trug seinen blauen Trainingsanzug und die schwarzen Sportschuhe auch noch, als er nach dem Spiel vor die Presse trat. Der Co-Trainer des FC Bayern setzte sich aufs Podium des Mediensaales und hielt respektvoll Abstand zum Tisch vor ihm, als wolle er am liebsten gleich wieder aufbrechen. Der ganze Auftritt spiegelte das Bild eines Mannes wider, der die erste Reihe scheut.

Der leise Rheinländer war eine Hauptfigur des 2:1-Sieges über Schalke 04, ob es ihm gefiel oder – wovon auszugehen ist – nicht. Zwei Stunden vor dem Anpfiff hatten die Bayern die Meldung versandt, dass Jupp Heynckes wegen eines grippalen Infekts nicht im Stadion sein würde. Der Cheftrainer hütete das Bett und fehlte auch gestern beim Auslaufen. Unmittelbar nach dem Abpfiff schickte er seinem Assistenten eine SMS, über deren Inhalt Hermann nüchtern Auskunft gab: „Glückwunsch zum Sieg.“

Viel mehr hätte der passionierte Co-Trainer, für den der Rekordmeister im Herbst 1,75 Millionen Euro nach Düsseldorf überwies, am liebsten gar nicht gesagt. Nicht nur die große Bühne war ihm suspekt, auch der Sitz des Cheftrainers, den er am Samstag ganz bewusst mied. Der Platz blieb leer. Er sei „zu groß für mich“, bekannte Hermann freimütig. Trotzdem fand sich er bestens zurecht. Er vollbrachte sogar das Kunststück, Franck Ribery auszuwechseln, ohne dass der Franzose auch nur den leisesten Anflug von Ärger zeigte.

Es wäre übertrieben zu behaupten, der Samstagabend habe einen Vorgeschmack geboten auf die Zeit nach Heynckes. Dafür steckt in Peter Hermann zu viel von seinem Chef, von der taktischen Akribie bis zum bescheidenen Auftreten. Gravierende Unterschiede bestanden allein in der Ansprache. „Man hat ihm die Nervosität schon angemerkt“, berichtete Sven Ulreich mit aufrichtiger Sympathie von jenem Moment, als Hermann vor die Gruppe trat. Als zweiter Mann ist er es nicht gewohnt, die große Linie vorzugeben, entsprechend befangen fühlte er sich und war schon froh, „wenn sie mich verstanden haben“.

Den richtigen Ton scheint er aber auch mit leiser Stimme getroffen zu haben. „Er hat gesagt, besonders beeindrucke ihn bei uns, dass es ganz normal ist, immer gewinnen zu müssen“, verriet Thomas Müller. Ob Mannschaften sich radikal vor dem eigenen Tor verschanzen oder mutig Paroli bieten, spielt dabei keine Rolle. So couragiert und flott wie am Samstag agieren Gäste in der Allianz Arena selten, aber auch darauf hatten die Bayern die richtige Antwort parat. Der rasend schnelle Spielzug vor dem 1:0, an dem David Alaba, James, Müller und als Vollstrecker Robert Lewandowski beteiligt waren, stand sinnbildlich für die individuelle Qualität.

Müllers Siegtor aus spitzestem Winkel wiederum hätte als Ausdruck der Münchner Gerissenheit durchgehen können, war aber vielleicht auch einfach nur Glück. „Der Trainer wird sagen, ich habe ihn reingelogen“, flachste der Schütze. In seiner Schilderung klang es, als habe er den Ball gar nicht mehr anders im Spiel halten können als mit einem Schuss ins kurze Eck: „Da war die Hüfte schon in einem ungesunden Zustand.“

Leon Goretzka, neben Peter Hermann der zweite Mann, auf den sich an diesem Tag viele Blicke richteten, bekam am Samstag einen Vorgeschmack darauf, was ihn im Sommer erwartet: Eine Mannschaft, die mit vielen Talenten gesegnet und mit allen Wassern gewachsen ist. Wie seine Mitspieler hielt der Noch-Schalker gut dagegen und war am zwischenzeitlichen Ausgleich beteiligt. Einmal bekam er auch die Zweikampfhärte seines potenziellen Konkurrenten Arturo Vidal zu spüren (und der Chilene die Gelbe Karte), nahm den Tritt aber mit professionellem Gleichmut hin: „War kein böses Foul. Alles gut.“ Geschmerzt haben ihn nur die verpassten Punkte. Mit dieser Denkweise passt er schon jetzt zu den Bayern.

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