Pyeongchang – Eigentlich hat Carina Vogt keine Chance. Wieder einmal. Doch aus der vermeintlichen Aussichtslosigkeit hat die meistdekorierte Skispringerin der Geschichte in ihrer Karriere bereits einen Olympiasieg und zwei Weltmeistertitel gemacht. Und deshalb fühlt sie sich auch vor ihrem Auftritt in Pyeongchang in der Rolle der notorischen Außenseiterin pudelwohl.
„Ich möchte auf jeden Fall wieder die anderen ärgern“, sagt die 26-Jährige, die heute (13.50 Uhr MEZ) in der einzigen Entscheidung der Springerinnen gemeinsam mit Zimmerkollegin Katharina Althaus die deutschen Hoffnungen trägt – und zwei Tage nach dem Sieg von Andreas Wellinger für einen deutschen Doppel-Coup sorgen kann: „Ich hoffe, dass ich meinen Vorteil ausspielen kann. Und der ist, dass die anderen wissen, dass ich bei Großereignissen immer da bin.“
Vor vier Jahren in Sotschi sei sie „mit 22 ins kalte Wasser geworfen worden“, erzählt Vogt: „Die Spiele waren für mich wie im Film.“ Ohne einen Weltcupsieg kam die zweifelsohne hochbegabte Aufsteigerin vom SC Degenfeld damals ans Schwarze Meer, zurück flog sie als erste Skisprung-Olympasiegerin der Geschichte: „Das Gold ist eben einfach passiert.“
Anfang 2015 feierte Vogt ihre bis heute einzigen beiden Weltcupsiege, dennoch kam wenige Wochen später auch das erste WM-Gold überraschend. Danach folgte ein langes Tief, zwei Jahre lang blieb Vogt ohne Weltcup-Podest – und schlug dennoch bei der WM 2017 wieder zu. „Das war mein emotionalster Erfolg, weil ich vorher überhaupt kein Wort mitgesprochen habe“, sagt Vogt. Der Jubel, die Freudentränen von Lahti, „das ist jetzt noch präsenter als Sotschi.“
Mitgesprochen, um im Bild zu bleiben, hat Vogt im eiskalten Pyeongchang zuletzt wieder lauter. Gestern landete sie im abschließenden Training sogar auf den Plätzen zwei und drei. „Ich bin richtig zufrieden, dass ich meine Materialabstimmung gefunden habe und mich auf die Schanze einstellen konnte. Jetzt kann ich mit Selbstvertrauen in den Wettkampf gehen“, sagt sie anschließend.
Die Favoritinnen waren eigentlich andere, vor allem die zuletzt überirdisch springende Norwegerin Maren Lundby. Ihre Haupt-Konkurrentinnen sind Japans Weltcup-Rekordsiegerin Sara Takanashi, die Österreicherin Daniela Iraschko-Stolz – und natürlich Althaus, nach zwei Saisonsiegen die neue deutsche Nummer eins.
„Es ist cool, vorne bei den Favoriten dabei zu sein“, sagt Althaus, die knapp so alt ist wie Vogt einst in Sotschi und die Herausforderung ähnlich unbekümmert antritt wie damals ihre heutige Mitbewohnerin im „fliegenden Doppelzimmer“. Nur hat sie die Konkurrenz auf dem Zettel. sid