Himmlische Ruh’

von Redaktion

Die Bayern sind zum Weihnachtsfest ermattet, blicken aber dennoch frohgemut in die Zukunft

VON ANDREAS WERNER

München – Es hätte nur noch eine Krone gefehlt, echt hätte sie gar nicht sein müssen, und schon hätte man David Alaba vom Fleck weg als einen Darsteller der Heiligen Drei Könige engagieren können. Als die Profis des FC Bayern nach dem 2:1 über Dortmund im Pokalachtelfinale ihre letzten Arbeitsminuten auf dem Feld verbummelten – während ein Chor im Mittelkreis der Arena inbrünstig Weihnachtslieder intonierte, herrschte Anwesenheitspflicht –, trug der Österreicher einen langen roten Mantel über den Schultern. Passte bestens zum Ambiente, als gerade „O du fröhliche“ das Areal erfüllte.

Himmlische Ruh’ ist eine zentrale Textzeile des Lieds, und genau danach sehnten sich die Bayern-Spieler sichtlich. „Kommt gut heim“, rief Thomas Müller den Fans zu, „und wir gehen jetzt in Urlaub.“ Er wird kurz ausfallen, rekordverdächtig kurz. Am 2. Januar geht es schon wieder weiter, und auch nach der Rückkehr aus dem Trainingslager in Katar am 7. Januar bleibt die Taktung hoch. Bereits am 12. Januar startet die Rückrunde mit dem Spiel bei Bayer Leverkusen. Die Bayern sinken ermattet unter den Christbaum und müssen sich bald wieder erheben. Es wird sich aber motivierend auswirken, dass sie 2018 gut vertreten sind, in allen Wettbewerben. „In der Rückrunde haben wir große Ziele“, sagte Müller, „die Voraussetzungen dafür haben wir geschaffen.“

Vor ein paar Wochen noch hätte man kaum gedacht, dass die Bayern zum Jahreswechsel derart frohgemut in die Zukunft schauen können. Es ist gar nicht so lange her, dass Franck Ribery wütend sein Trikot durch die Luft gepfeffert und Arjen Robben auffallend laut Missstände angeprangert hat. Einen Trainerwechsel bereits zum Oktoberfest zieht man lediglich durch, wenn es wirklich kracht. Es war ein ungewöhnlich turbulentes Halbjahr, sagte Müller, „nach  Gusto  der Journaille

Coman verlängert vorzeitig bis 2023

– aber es macht bei Bayern einfach am meisten Spaß: Da ist immer was los. Wir haben dem Druck standgehalten.“

Es ist alles wieder gut, seit Jupp Heynckes da ist. Im letzten Spiel des Jahres zeigten die Münchner erneut, wie sie die Konkurrenz von der Spitze weg dominieren. Der Kräfteverschleiß der letzten Wochen machte sich zwar am Ende bemerkbar, an dem Sieg über den BVB gab es aber dennoch nichts zu deuteln. Dass man die Borussen noch einmal zurück in die Partie gelassen habe, „müssen wir uns ankreiden lassen“, sagte Torwart Sven Ulreich, „das war unnötig. Wir können das besser, wenn wir bei 100 Prozent sind.“ Auch das ist eine entmutigende Nachricht für den Rest der Liga: Sogar für Dortmund, die deutsche Nr. 2, mussten Müller und Kollegen nicht alles abrufen.

Die Meisterschale ist praktisch per Abo vergeben, im Pokal haben die Bayern in Leipzig und dem BVB früh die ärgsten Widersacher aus dem Weg geräumt – es deutet alles darauf hin, dass der Fokus in aller Ruhe auf die Champions League gestellt werden kann. Besiktas Istanbul gilt als lösbare Aufgabe im Achtelfinale, und auch das ist so eine Sache, die im Spätsommer akut infrage stand: International sah man in den Bayern eine gealterte Truppe, die den Zenit hinter sich hat.

Nun wirken die Münchner frischer, mutiger und konkurrenzfähiger. Sie ziehen wieder, das zeigt sich auch daran, dass Kingsley Coman gestern vorzeitig bis 2023 verlängert hat. Der 21-jährige Franzose ist eines der begehrtesten Talente des Kontinents, sein Ja zu Bayern signalisiert, dass er hier eine Zukunft sieht.

So können die Feiertage also kommen. Ulreich verriet, er werde nach Österreich fahren, „ein bisschen im Schnee wandern“. Weihnachtsstress? Keine Spur, sagte er. Die Geschenke habe seine Frau besorgt. „Ich denke, wir sind gut aufgestellt.“ Wie der ganze FC Bayern. Und es ist sogar wieder denkbar, dass 2018 die eine oder andere Krone drin ist.

O du fröhliche.

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