Alta Badia – Es ist ja erst einmal gut, wenn ein Skirennläufer nach einem Ausfall selbst ins Ziel fahren kann, aber Stefan Luitz hatte am Sonntag weder ein Tor ausgelassen noch war er gestürzt. Er musste den ersten Durchgang des Weltcup-Riesenslaloms von Alta Badia nach nur vier Toren abbrechen – und so etwas ist meistens schlecht. Wolfgang Maier, Alpindirektor des Deutschen Skiverbandes, teilte etwas später mit, Luitz habe berichtet, ihm sei das linke Knie „seitlich aufgeklappt“. Danach habe er keinen Druck mehr auf den Ski geben können.
Unten im Ziel im zog sich der 25 Jahre alte Allgäuer erst einmal in das kleine Zelt zurück, in dem die Athleten ihre Skischuhe überprüfen lassen müssen. Mit Tränen in den Augen saß er auf einem Stuhl, die Freundin an seiner Seite versuchte ihn zu trösten.
Christian Hoser, Mannschaftsarzt des Österreichischen Skiverbandes, diagnostizierte noch im Zielraum einen Kreuzbandriss. Anschließend wurde Luitz ins 130 km entfernte Innsbruck gefahren, wo am Nachmittag eine Magnetresonanztomographie durchgeführt wurde. Noch am Sonntagabend wurde er operiert.
Luitz weiß, was jetzt auf ihn zukommt, denn bereits 2013 hatte er einen Kreuzbandriss erlitten, damals im rechten Knie. „Das frustet uns schon extrem“, sagte Maier. „Jedes Mal wenn wir uns anstrengen, kriegen wir eine drauf. Da fragt man sich schon, was tut man da eigentlich.“
Luitz war nach den beiden Podestplätzen in Beaver Creek und Val d’Isere als einer der Favoriten in den dritten Riesenslalom des Winters gestartet, aber die Hoffnung, die wunderbare deutsche Erfolgsgeschichte fortschreiben zu können, endete bereits nach zehn Sekunden. Weil Fritz Dopfer nach seiner langwierigen Verletzung nach eigenen Worten noch „überfordert“ war mit der anspruchsvollen Strecke und sich nicht fürs Finale der besten 30 qualifizierte, holte Alexander Schmid aus Fischen im Allgäu, Überraschungs-Sechster von Val d’Isere eine Woche zuvor, auf Platz 26 als einziger Deutscher Weltcuppunkte. „Letztes Jahr hatten wir drei in der ersten Gruppe, jetzt gar keinen mehr“, sagte Maier, als feststand, dass nach Neureuther nun auch Luitz für den Rest der Saison ausfällt
Überlegen gewonnen hat auf der Gran-Risa-Piste der Österreicher Marcel Hirscher. Der Verlust des zweiten Medaillenkandidaten für Olympia im Februar in Pyeongchang „trifft uns extrem“, gibt Maier zu. Luitz hatte nach dem Ausfall des Kollegen in den ersten Wochen des Weltcup-Winters erstaunlich schnell die Rolle der Nummer eins im Team übernommen – und sich im Vergleich zur vergangenen, sehr stabilen Saison nochmal gesteigert. „Stefan hat an den richtigen Schrauben gedreht“, hatte Fritz Dopfer am Tag vor dem Riesenslalom in Alta Badia gesagt. „Es gibt bei uns im Team wenige, die das so ernsthaft angehen.“
Die alpinen Olympia-Hoffnungen müssen nun auf jenem Mannschaftsteil ruhen, der noch bis vor ein paar Jahren keine Zukunft im DSV zu haben schien: Die Speed-Fraktion. Bevor Mathias Berthold 2014 den Cheftrainerposten bei den Männern übernahm, hatte es Überlegungen gegeben, sich ganz auf die damals schon erfolgreiche Slalom- und Riesenslalomgruppe zu konzentrieren. Berthold sah jedoch genügend Potential und überredete die Verantwortlichen, weiter auch in die schnelle Sparte zu investieren.
Einen Tag nach dem Super-G-Sieg von Josef Ferstl blieb in der Abfahrt von Gröden zwar die nächste deutsche Überraschung aus, aber mit den Plätzen zwölf bis vierzehn von Andreas Sander, Thomas Dreßen und Ferstl sowie dem beachtlichen 16. Rang von Weltcup-Debütant Manuel Schmid überzeugten die Deutschen mannschaftlich. „Sie sind cool gefahren und zeigen ganz klar, dass das Team komplett im Aufwärtstrend ist“, fand Maier am Samstag. Aber man müsse „die Füße am Boden lassen“. Es ist ja schon erstaunlich genug, dass die deutschen Männer trotz des Verletzungspechs von Neureuther und Luitz wohl nicht ganz chancenlos zu Olympia reisen.