Ein Drehbuch nach Ulreichs Geschmack

von Redaktion

Der Torwart kontert die Beleidigungen der VfB-Fans in einem spektakulären Finale

Stuttgart – Den Vergleich mit Alfred Hitchcock hat lange keiner mehr angestellt. Der Großmeister des Nervenkitzels war früher der Maßstab für gekonnten Spannungsaufbau, aber irgendwann konnte man den Halbsatz „als habe Hitchcock Regie geführt“ nicht mehr hören. Auch am Samstag kam er niemandem über die Lippen, nicht mal Sven Ulreich, der im Mittelpunkt eines denkwürdigen Drehbuchs gestanden hatte. Aber einen kleinen Ausflug in die Welt der Cineasten konnte sich der Torwart nicht verkneifen: „Den Film konnte man nicht besser schreiben.“

Das Ende war fast zu melodramatisch. Hier die Fans des VfB Stuttgart, die den Schlussmann 90 Minuten (plus Nachspielzeit) mit einer Hingabe beleidigt hatten, als habe er ihnen ernsthaft Böses angetan und nicht nur vor zwei Jahren den Verein gewechselt, weil der VfB keinen Wert mehr auf seine Dienste legte. Dort Ulreich, der alle Attacken auf eine Weise parierte, wie es gute Keeper eben tun. Schon als er in der Anfangsphase einen Schuss von Chadrac Akolo abwehrte, deutete sich an, dass die VfB-Fans und ihr Ex-Idol an diesem Tag wenig Spaß aneinander haben würden.

Das Duell gipfelte schließlich in einem Hitchcock-Moment, der alles hatte, was ein großes Finale braucht: Ein Foul an einem VfB-Spieler, einen nachsichtigen Schiedsrichter, Proteste, Videobeweis, Elfmeter, enthemmte Vorfreude. Und die eiskalte Ernüchterung, weil Ulreich prächtig und der Schütze Akolo lausig agierte.

Dass die Schlussszene sich vor der Cannstatter Kurve abspielte, wo Ulreich (29) viele Jahre gefeiert worden war, schien des Guten fast zu viel. „Mehr ,Ausgerechnet’ geht gar nicht“, folgerte der Tormann, der zu höflich war, seine Zufriedenheit offen zur Schau zu stellen. Das übernahmen andere. „Er wird es wahrscheinlich nicht so sagen, aber es ist nicht wenig Genugtuung, wenn man aus der eigenen Jugend kommt und dann so beleidigt wird“, sagte Mats Hummels (der ihn Dortmund ähnliche Szenen erlebt hat, auch wenn er nicht aus der BVB-Jugend stammt).

Ulreich hatte geahnt, „dass sie nicht so positiv reagieren werden“, aber ein bisschen positiver hätte der Empfang schon sein dürfen. Er fand die Umstände „traurig und schade“. Andererseits ist er Profi genug, die nötige Distanz aufzubauen: „Ich bin ja mit meinem Verein da.“

Die Frage, wie lange der FC Bayern noch sein Verein ist, wird mit dieser Vorstellung weiter befeuert. Unter der Woche hatte Jupp Heynckes angeregt, den Vertrag mit Ulreich rasch zu verlängern. Doch der Mann, der zwei Jahre lang kaum auffiel, weil Manuel Neuer so einen langen Schatten warf, kann sich erlauben, auf Zeit zu spielen. Mit jedem guten Spiel wird seine Position besser. Und er weiß, dass die Branche sehr genau hinschaut. Sein nächster Auftritt ist am Mittwoch gegen Dortmund. Ulreich wünscht sich, dass es diesmal kein Hitchcock-Abend wird inklusive Elfmeterschießen: „Ich hoffe, wir regeln das in 90 Minuten.“  mb

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