Zürich/Moskau – Die Frau, auf die es ankommt, hüllte sich in Schweigen. Maria Claudia Rojas, die „Chefermittlerin“ der FIFA-Ethikkommission, war am Tag nach dem Rauswurf von Russlands WM-Macher Witali Mutko aus der Olympischen Bewegung nicht zu erreichen, sie sagte kein Wort. Wenn das so bleibt, steuert der Fußball-Weltverband auf eine skandalöse Weltmeisterschaft 2018 zu.
Denn spätestens seit Dienstagabend, seit das IOC Mutkos „administrative“ Schuld am Doping-Skandal feststellte, ist Russlands Vize-Premierminister in seiner Rolle als Chef des WM-Organisationskomitees und des russischen Fußballverbandes nicht mehr zu halten. Nur scheint die FIFA das anders zu sehen.
„Die FIFA hat die Entscheidung des IOC bezüglich der Teilnahme russischer Athleten an den kommenden Olympischen Winterspielen zur Kenntnis genommen“, steht in einer Stellungnahme. Die Entscheidung habe aber „keinen Einfluss auf die Vorbereitungen“ der WM.
Und Mutko? Schon der McLaren-Report Ende Dezember 2016 lieferte ausreichend Erkenntnisse, um den Russen zumindest zu vernehmen. Dann aber wurden im Mai 2017 beim FIFA-Kongress in Bahrain sämtliche Köpfe in der FIFA-Ethikkommission ausgetauscht. Passiert ist seitdem offenbar: nichts.
„Wer so gravierend gegen die Werte des Sports verstößt, der hat im Grunde in einer führenden Position auch in anderen Bereichen des Sports nichts mehr zu suchen“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Er gehe davon aus, dass die Ethikkommission den Vorgang prüft. Das Urteil von Dienstagabend würde – wenn es denn von der Ethikkommission geprüft wird – wahrscheinlich sogar eine sofortige, provisorische Suspendierung Mutkos rechtfertigen.
Mutko selbst hatte sämtliche Vorwürfe bei jeder Gelegenheit geleugnet, zuletzt vor der WM-Auslosung am vergangenen Freitag im Moskauer Kreml. FIFA-Präsident Gianni Infantino, der bislang keine Anstalten gemacht hat, Lehren aus dem McLaren-Bericht zu ziehen, saß hilflos daneben und verlor sich im Anschluss in Phrasen. „Wir müssen die Ergebnisse abwarten, sollten vorsichtig mit Vorverurteilung sein. Wir dürfen nicht alles schwarzmalen, was aus dem Osten kommt, und sagen: Bei uns gibt es keine Korruption, kein Doping“, hatte er gesagt.
Der Schweizer wurde jetzt auch von DFB-Präsident Reinhard Grindel kritisiert. „Ich habe mich schon vor Monaten für vollständig unabhängige Dopingkontrollen bei der WM in Russland ausgesprochen. FIFA-Präsident Gianni Infantino hat das öffentlich mit der Bemerkung abgetan, es sei gut, dass ich jeden Tag eine neue Idee habe“, so Grindel.
Infantinos Kopf-in-den-Sand-Strategie kommt nicht überraschend. Er verfolgt sie in offensichtlicher Ehrfurcht vor Russland schon lange. Die klammen FIFA-Finanzen stürzen ihn offenbar in eine bedingungslose Abhängigkeit gegenüber dem Gastgeber, denn jeder WM-Makel würde den Weltverband wirtschaftlich in massive Bedrängnis bringen. sid/dpa