München – Die Fahrt aus Berchtesgaden nach Winterberg war lang genug, um alle Themen auszudiskutieren, die sich in den vergangenen Wochen angestaut haben. Aber das größte Problem von Johannes Lochner lässt sich im Moment nicht lösen. Es steht in einer Werkstatt in Tirol und durfte den Weg zum vierten Weltcup der Bob-Fahrer gar nicht erst mitantreten. Stattdessen sagt der Weltmeister: „Ich fahre mit meinem alten Schlitten, auch in Pyeongchang.“
Diese Worte hallen nach – vor allem wenn man bedenkt, wie groß das Konfliktpotenzial im Materialsektor des BSD-Teams seit nunmehr eineinhalb Jahren ist. Im Sommer ist keine einzige Woche vergangen, in der es nicht irgendeine neue Entwicklung auf diesem Gebiet gab. Die Doppellösung – die Weltmeister Lochner und Francesco Friedrich fahren in Bobs des österreichischen Herstellers Johannes Wallner, der WM-Dritte Nico Walther in jenen des steuerfinanzierten FES – ist kostspielig und stand lange auf der Kippe. Der Verband streckte sich, Sponsoren sprangen ein, um jedem der drei deutschen Piloten die passende Olympia-Flotte auf die Kufen zu setzen. Und jetzt? Steht das Ding wieder in der Garage.
Die ersten drei Saisonrennen in Übersee haben sowohl Lochner als auch Friedrich ernüchtert. Schon bei der internationalen Testwoche auf der Olympiabahn in Pyeongchang „ist uns der Nico um die Ohren gefahren“, sagt Lochner. Und auch in den Weltcups von Lake Placid und Whistler hatten die beiden eigentlich besser eingeschätzten Piloten mit den Podestplätzen nichts zu tun. Während Walther zum Einstand prompt gewann, stehen für Lochner im kleinen Schlitten die Plätze 12, 6 und 21 zu Buche, für Friedrich Rang 9, 9 und 13. „Bei den Tests haben wir nicht gemerkt, dass der Schlitten so schlecht ist“, sagt Lochner. Eine neue Form versprach eigentlich mehr Aerodynamik, man hoffte auf neue Bestzeiten – war aber in der Sackgasse.
Lochner setzt weiter auf den neuen Vierer (in dem er in Park City gewann), hat aber seinen „alten Zweier“ aus der Garage geholt und sagt: „Er geht noch genauso gut.“ Das ist erst mal eine gute Nachricht, auf Sicht muss sich aber zeigen, was das im Vergleich zur Konkurrenz veraltete Material wert ist. Friedrich hat von Wallner ein neues Exemplar des alten Modells bekommen, das eigentlich für das russische Team vorgesehen war. Weil die Finanzierung scheiterte, war der Bob nun frei.
An diesem Wochenende in Winterberg und in der Woche danach in Innsbruck-Igls stehen die letzten beiden Rennen im Jahr 2017 an. Und während Nico Walther laut Lochner „nun einen Kopf größer“ daherkommt, sind Lochner und Friedrich mit einer Portion Wut im Bauch angereist. Noch ist Zeit bis Pyeongchang – und auch wenn Lochner davon ausgeht, „dass das Podium ab jetzt von uns dominiert wird“: Wenn das nicht klappt, wird die Nervosität größer werden.
Immerhin eine gute Nachricht gab es dieser Tage: In Lochners Auto saß am Montag auch der genesene Stamm-Anschieber Joshua Blum. „Der läuft wieder“, scherzte Lochner. Dasselbe würde der 27-Jährige gerne am Sonntag auch über seinen Zweier-Bob sagen. hanna raif