München – Gesundheitlich gehe es ihm gut, sagt Franz Hell. Kein Bluthochdruck, keine Diabetes. Alles bestens für einen, der nächsten Sommer 65 wird. Und trotzdem: Seine Stimme klang schon mal fester. „Besonders gut geht’s mir nicht“, bestätigt der Münchner prompt: „Wir sind ja immer noch in der 4. Liga.“ Wir, das sind die Löwen, seine Leidenschaft seit 55 Jahren. Überspitzt könnte man sagen: Hell leidet an 1860 – seit dem Doppelabstieg im Sommer noch mehr als sonst.
Schlimm genug für einen wie Hell, dass sein Allesfahrer-Bus jetzt Ziele wie Schalding-Heining und Seligenporten ansteuert statt Hamburg oder Berlin. Aber: Was noch mehr auf sein Gemüt drückt, ist der Dissens, die Gesellschafter betreffend, der tiefe Spalt, der sich auch durch das Fanlager zieht. „Hasan I., wir sch… auf dein Geld“, grölten die einen beim Adventssingen. Es geht nur mit Ismaik, behauptet das andere Lager, das sich bevorzugt in Foren und Internet-Blogs tummelt.
Kurzum: Die Konfliktlinie verläuft zwischen Fans, die um jeden Preis zurück in den Profifußball wollen – und der zunehmend autonom auftretenden e.V.-Seite, die sich sagt: Keine Neuverschuldung durch Darlehen. Lieber in Würde ein Viertligist sein, der Partys im alten Giesinger Stadion feiert, als noch mal so abhängig und erpressbar werden wie bis vor Kurzem.
Hell tendiert eher zu erstgenanntem Lager, schon aus einem gewissen Realitätssinn heraus: „Wenn du deine Seele verkaufst, darfst du dich nicht wundern, wenn sie eingefordert wird.“ Die andere Seite kann er aber auch verstehen. „Ich gebe zu: Obwohl wir jetzt Viertligist sind, hat 1860 Identität und Profil zurückgewonnen.“ Und weil Hell nach wie vor überall auftaucht, wo 1860 spielt oder debattiert, hat er nun den Versuch gestartet, ein paar Brücken zu bauen. „Als Vermittler würde ich mich nicht bezeichnen“, sagt er gewohnt bescheiden: „Warner trifft es besser. Unser Verein war nur dann erfolgreich, wenn alle an einem Strang gezogen haben. 1991 zum Beispiel. Oder ’94.“
Die Jahreszahlen stehen für zwei Aufstiege, für geschlossene blaue Reihen. Was momentan dagegen passiert, drückt er so aus: „Es herrscht absoluter Stillstand.“ Und das Schlimmste für ihn: „Ich hab das Gefühl, dass beide Seiten abwarten, was passiert – und jede Seite davon ausgeht, dann klar im Vorteil zu sein.“
Ein Irrglaube, wie sich der Uraltlöwe zu sagen traut. Zum Beispiel das Ismaik-Lager. Hell spricht selten mit dem Investor persönlich, aber häufig mit dessen Statthaltern (Anthony Power, Mutaz Sabbagh). Deren Haltung fasst er so zusammen: „Wenn 50+1 fällt, sind alle Probleme beseitigt“. Hell hält dagegen: „Es kann aber auch sein, dass er dann als König ohne Land dasteht. Ich bezweifle, ob die jungen Burschen (gemeint: die Ultras) ihm dann folgen.“
Nicht viel besser agiert aus seiner Sicht die e.V.-Seite: „Zu sagen, wir nehmen keine Darlehen mehr auf und zermürben den Ismaik, haut auf Dauer nicht hin. Und wenn ich die Zwischentöne bei Daniel Bierofka höre: Der wüsste schon auch gerne, wie es weitergeht und ob Geld für eine Ergänzung zu Timo Gebhart da ist.“ Beiden Lagern wirft Hell vor allem eines vor: Sturheit, ausgelebt auf dem Rücken einer „schweigenden Mehrheit“, die weder Ultras sind noch Ismaik-Jünger.
Allzu groß ist Hells Hoffnung aber nicht, dass seine Appelle Früchte tragen: „Ich erwarte nicht viel, aber zumindest so viel, dass man sich bemüht, einen kleinen gemeinsamen Nenner zu finden.“ Wie auch immer der aussehen mag. Der Optimist in Hell sagt sich: „Ein paar Jahre kämpfe ich schon noch weiter – so gut fühle ich mich schon noch in Schuss. Beide Seiten müssten nur ein bisschen aufeinander zugehen – das wäre mein einziger Weihnachtswunsch.“ uli Kellner