Bayern ein bisschen galaktisch

von Redaktion

Beim 3:1 gegen Paris sendet Heynckes’ Team ein Zeichen an Europa, bleibt aber Gruppenzweiter

Von Hanna Raif

München – Es dauerte gestern Abend mehr als 20 Minuten, aber dann war Neymar da, wo ihn von den 70 000 Zuschauern in der Allianz Arena höchstens die paar Pariser Fans sehen wollten. Der Brasilianer kam über links, natürlich, und als er Fahrt aufnahm, seine Schritte schneller wurden, arbeiteten die Bayern im Kollektiv. Niklas Süle war da, Mats Hummels und Joshua Kimmich auch, und als Sebastian Rudy den 222-Millionen-Mann letztlich auflaufen ließ und die Situation äußerst cool klärte, jubelte das ganze Stadion. Ungefähr genauso laut wie bei den Toren von Robert Lewandowski (8.) und Corentin Tolisso (37./69.), die die Bayern im abschließenden Gruppenspiel mit 3:1 (2:0) gegen Paris St. Germain gewinnen ließen.

Diese Szene hatte so vieles, denn sie sprach für die Dramatik des Fußballabends, der rein sportlich wenig Bedeutung hatte. Neymar gilt ja im Trikot des französischen Spitzenreiters gleichermaßen als personifizierter Kommerz wie sportliche Extraklasse. Beides ist den Bayern ein Dorn im Auge – und deshalb ging es gestern ums Prestige. Das Fazit des kalten Fußball-Abends: Den Bayern ist nicht nur als erstem Team ein Sieg gegen Paris in der laufenden Champions League-Saison gelungen, sondern auch die gewünschte Botschaft an Europa: Schaut her! Wir können mithalten. Zumindest so lange, bis Kylian Mbappé das 2:1 gelang (50.) und der Traum vom Gruppensieg ausgeträumt war. Tolissos zweiter Treffer brachte nichts mehr.

Das 0:3 aus dem Hinspiel war in den Tagen vor der Partie noch mal sehr präsent gewesen, und zwar in jedem einzelnen Detail. Zwar hieß der Trainer, der dick eingemummelt an der Seitenlinie stand, nicht mehr Carlo Ancelotti, sondern Jupp Heynckes. Das änderte aber nichts daran, dass die Spieler mit Revanche-Gedanken aufs Feld liefen. Vor allem jene, die das Debakel vor rund zehn Wochen in Paris von außen hatten ansehen müssen. Anders als sein Vorgänger nämlich bot der neue Bayern-Trainer Flügelspieler auf. Zwar stand relativ überraschend nicht Thomas Müller auf in der Startelf, dafür aber Kingsley Coman und der gerade erst genesene Franck Ribery, die beide gegen ihre Landsleute motiviert waren bis in die Haarspitzen.

Für Paris ging es um weniger als für die Bayern, die auch so agierten. Nach einigen wenigen Minuten des Abtastens nahmen die Gastgeber das Spiel in die Hand und hatten – trotz weniger Ballbesitz – die deutlich besseren Ideen. Gerade mal acht Minuten dauerte es, ehe Lewandowski den Ball, der über Flankengeber James und Verlängerer David Alaba zu ihm gekommen war, aus der Drehung im Netz versenkte. Es zog sich ein paar Momente, ehe der Treffer offiziell zählte – Ribery hatte im passiven Abseits gestanden, Lewandowski aber nicht. Alles korrekt.

Paris war nicht gerade geschockt, aber auch nicht angestachelt von dem frühen Tor, das den Bayern natürlich in die Karten spielte. Beide Teams zogen sich bei Ballbesitz des anderen zurück und leisteten sich im Mittelfeld wenige Fehler, die Bayern aber waren deutlich zielstrebiger. Zwar rettete Sven Ulreich zwei Mal gegen Neymar (34., 43.), ansonsten aber kam von den Gästen nicht viel. Die Bayern-Offensive hingegen kombinierte sich angetrieben von den starken Hintermännern Rudy, Tolisso und auch Alaba über links immer wieder nach vorne. Erfolgreich war noch vor der Pause Tolisso, der mit einer Zucker-Flanke von James bedient wurde und – weil Dani Alves längst enteilt – nur noch wuchtig den Kopf hinhalten musste.

Eine Halbzeit lang war Bayern galaktischer als Paris, in der 51. Minute aber war der Gruppensieg – und die dafür nötige dritte Luft – plötzlich weit weg. Ein Innenrist-Pass von Marco Verratti, ein Lupfer von Edinson Cavani, der Kopf von Mbappé – so schnell kann es gehen. 2:1 – drei Tore hätte Bayern noch gebraucht. Erst mal rettete aber Ulreich gegen Julian Draxler und Mbappe, dann traf erneut Tolisso nach einem Alleingang des immer stärker werdenden Coman,

Es war nicht unmöglich, ein weiterer Treffer wäre drin gewesen durch Lewandowski in der Schlusssekunde. Am Ende jubelten die Fans trotzdem – während sich Neymar heimlich, still und leise über den Gruppensieg freute.

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