Löwe mit Draht nach oben

von Redaktion

Sportliche Heißblütigkeit und menschliche Wärme machen Christian Köppel zu einem wichtigen Faktor bei 1860

von uli kellner

München – Seit gestern steht also fest, was am Ende keine Überraschung mehr war. Das Totopokalspiel der Löwen in Bayreuth findet nicht am Samstag, sondern wegen des Wintereinbruchs erst 2018 statt. Das Wehklagen darüber hält sich bei beiden Klubs in Grenzen, doch es gibt auch einen Spieler, der gerne auf vorzeitige Weihnachtsferien verzichtet hätte: Christian Köppel. „Gerade hat’s richtig Spaß gemacht“, sagt der formstarke Linksverteidiger des TSV 1860: „Also, das eine Spiel hätte ich gerne noch mitgenommen, jetzt mit dem Sieg im Rücken. 90 Minuten Totopokal hätte ich schon noch geschafft – vielleicht sogar eine Verlängerung.“

Totopokal-Spiel in Bayreuth abgesagt

So spricht einer, der sich als unermüdlicher Antreiber ebenso etabliert hat wie als weißblauer Brustlöser. Wann immer sich Köppel, 23, daran erinnert, dass er bis zur D-Jugend Stürmerblut hatte, fallen Tore von ausgeprägter Wichtigkeit. Los ging’s beim Saisonstart in Memmingen, als Köppels Lupfer die Löwen auf eine Wolke hievte, die sie bis weit in die Saison hineintrug. Stammspieler war er bis zur 2:3-Pleite in Augsburg, die Daniel Bierofka zur Umbesetzung seiner Viererkette verleitete. Geholfen hat es wenig, wie die darauffolgenden Niederlagen zeigten. Seit zwei Spielen ist Köppel nun zurück im Team, traf in Rosenheim und auch gegen Schalding-Heining – schon war sie vorbei, die Löwen-Depression. „Zu meinem Spielstil gehört der Offensivdrang dazu“, sagt der Dauerläufer des Teams: „Dass der gleich zu vier Toren führt, ist mehr als gewünscht. Und dafür bin ich auch sehr dankbar.“

Dankbarkeit ist ein Wort, dass man häufig aus Köppels Mund hören kann. In seinem Fall ist das aber keine Worthülse, sondern Ausdruck tiefer Gläubigkeit, die der Urmünchner auch nach seinen Torerfolgen demonstriert, indem er Finger und Kopf gen Himmel richtet. „Ich habe mir vorgenommen, als Spieler ein Vorbild zu sein. Da gehört der Glaube dazu. Er gibt mir wichtige Grundtugenden, viel Kraft. Und deswegen geht der Dank nach oben.“

Zum Glauben gebracht hat ihn Mitspieler Lucas Genkinger, 22, und inzwischen gibt es eine kleine, stetig wachsende Glaubensgemeinschaft im Team – mit dem Sportlergottesdienst am Donnerstagabend als Anlaufpunkt. „Zusammenkommen, eine Predigt hören, ein bisschen lobpreisen“, schildert Köppel die Abende, an denen auch Profis des FC Bayern teilnehmen. Kirchgang am Sonntag scheidet ja aus, wie er mit Blick auf Trainings- und Spielpläne anmerkt. Aber: „Für mich ist es einfach wichtig, ein bisschen Zeit mit Gott zu verbringen.“ Profitiert hat von Köppels christlichen Werten nicht zuletzt Mohamad Awata. Stichwort Nächstenliebe. Für den Kriegsflüchtling aus Syrien war Köppel in dessen Anfangszeit in München ein wichtiger Ansprechpartner.

Es ist die Mischung aus sportlicher Heißblütigkeit und menschlicher Wärme, die Köppel zu einem wichtigen Faktor in der Löwen-Kabine macht. Klar: Er würde gerne etwas regelmäßiger spielen („Wer will das nicht?“). Trotzdem verschwendet er keinen Gedanken daran, den auslaufenden Vertrag zur Flucht zu nutzen. Im Gegenteil: „Von mir aus würde ich gerne bleiben. Ich weiß auch, dass Herr Biero mich schätzt. Die Gespräche haben schon begonnen, und ich hoffe sehr, dass wir uns einigen können.“

Den naheliegenden Gedanken, dass er seinen Draht nach oben nutzen könnte, um den Lauf der Dinge zu beschleunigen, weist Köppel von sich. „Ich bete nicht für Erfolg, sondern dass uns der Druck abgenommen wird. Dass wir Kraft haben und möglichst alle gesund bleiben. Was schlussendlich dabei rauskommt, dabei vertraue ich auf Gott. Dass er das Beste mit uns vorhat. Aktuell bin ich auch ganz zufrieden mit seinem Weg. Das schaut ja alles nicht so schlecht aus.“

Auch die vereinpolitischen Scharmützel verfolgt Köppel mit der christlichen Hoffnung auf Frieden, speziell was die verfeindeten Gesellschafter angeht. „Gutes Klima kann auch ein Gebetsanlass sein“, sagt er: „Ich bin schließlich von ganzem Herzen Löwe.“ Köppel sagt aber auch: „Es wäre echt gut, wenn die ganze Last mal vom Verein abfiele.“

Erst recht jetzt in der Adventszeit. Die ist für Köppel „ganz wichtig als Christ“ – und er hat auch schon Pläne geschmiedet. Auf seinem Programm steht der Christkindlesmarkt in Nürnberg, die Heiligabendmesse in der Frauenkirche – und dazwischen weltliche Entspannung in der Sonne von Mexiko. „Einmal im Jahr muss das mal sein“, sagt er und freut sich, dass er seine Flüge nun früher buchen kann. So gesehen hat die Bayreuth-Absage auch für ihn eine positive Seite.

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