Polka im Dirndl beim Comeback als Siegerin

von Redaktion

Viktoria Rebensburg beendet ihre Durststrecke und gewinnt in Sölden – wie im Jahr ihres Olympiasieges 2010

Sölden – Der hartnäckigste Gegner am Gletscher war die Champagnerflasche bei der Siegerehrung im Ziel. Viktoria Rebensburg brachte sie einfach nicht auf zur üblichen Fontänen-Spritzerei, was den Podest-Nachbarinnen Tessa Worley (2.) und Manuela Mölgg (3.) doch noch Gelegenheit bot, die Deutsche beim Auftakt-Riesenslalom von Sölden am Rettenbachferner richtig nass zu machen, wenn es schon auf der Piste nicht gelungen war. Siegerin Rebensburg wunderte sich, denn in der Disziplin Korkendrehen „bin ich eigentlich ein Profi. An Silvester klappt das super, da haut’s den Korken durch die Gegend.“ Diesmal wehrte er sich, aber beim Öffnen von Siegerschampus war sie auch schon etwas aus der Übung gekommen.

Auf der Rennstrecke klappte es am Samstag umso besser. Da lag der Druck bei anderen, nachdem Rebensburg als Dritte des ersten Durchgangs im Finale Bestzeit ins Eis gekratzt hatte. Favoritin und Vorjahressiegerin Mikaela Shiffrin (USA) fiel nach einem Fehler im Steilhang auf Rang fünf zurück, Mölgg rutschte als Führende des ersten Laufes auf Platz drei ab. So stand Viktoria Rebensburg vom SC Kreuth ganz oben und genoss Glücksgefühle, die ihr schon länger nicht mehr bekannt waren. Ihr letzter Weltcup-Sieg lag anderthalb Jahre zurück (März 2016). Die Erleichterung war zu spüren: „Sölden ist von der Anspannung schon ein sehr spezielles Rennen. Mit das Extremste für mich in der Saison. Ich bin jetzt einfach froh, dass der Tag vorbei ist.“

Da war der Tag aber noch lange nicht vorbei, am Abend musste sie noch zur Siegerehrung im Tal antanzen, wo sie sich ein wenig zierte, dem Wunsch des Veranstalters zu folgen und im Dirndl zu erscheinen. Sie tat es dann doch, wegen der Kälte mit Skijacke drüber, und ließ sich von Slalomfahrer Florian Eisath aus Südtirol sogar zu Polka-Schwüngen auf der Bühne überreden. Ein bisschen Après-Ski muss für eine Siegerin sein. Die anderen deutschen Damen sahen zu. Maren Wiesler kam als 26. immerhin in die Punkte, Jessica Hilzinger (37.) und Patrizia Dorsch (44.) verpassten den zweiten Durchgang ebenso wie Lindsey Vonn (USA/34.) bei ihrem viel beachteten Sölden-Comeback.

Ausgerechnet Sölden. Vor sieben Jahren, 2010, feierte die 21-jährige Viktoria Rebensburg hier ihren ersten von inzwischen 14 Weltcupsiegen, „den vergisst man nie.“ Es war ein denkwürdiger Tag, weil nach dem ersten Durchgang mit Kathrin Hölzl, Rebensburg und Maria Riesch sogar ein deutsches Trio führte – und am Ende Rebensburg und Hölzl einen Doppelerfolg feierten. „Das war natürlich hammermäßig“, erinnert sich Rebensburg, „und genauso ist es jetzt auch wieder“. 2010 war sie ein halbes Jahr zuvor im kanadischen Vancouver bereits sensationell Olympiasiegerin im Riesenslalom geworden. Erst Olympia-Gold, dann Gletscher-Gold – jetzt hätte sie nichts dagegen, „wenn wir das diesmal umdrehen könnten“. Im kommenden Februar bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang darf man ihr schon jetzt, nach diesem überzeugenden Saisonauftakt, ein Favoriten-Etikett umhängen. „Ich habe gewusst, dass ich gut drauf bin, aber das macht es manchmal auch nicht leicht, weil man die nötige Gelassenheit haben muss.“ Ziemlich cool brachte sie den Sieg ins Ziel.

Wenn der Eindruck nicht täuscht, könnte Rebensburg nach einer eher dünnen letzten Saison wieder in die Spur zu alter Stärke gefunden haben. Jürgen Graller als neuer Cheftrainer hat ihr Konzepte auf den Leib geschneidert, mit Pivattrainer Rudi Soulard, einem Physiotherapeuten, ihrem Servicemann und eben Graller vertraut sie einem kleinen eigenen Team, ohne sich aus der gesamten deutschen Damen-Riege auszuklinken. „Ich denke, wir haben sehr viele richtige Entscheidungen getroffen“, sagt sie, etwa auf ein sommerliches Übersee-Training zu verzichten und viel im Schweizerischen Saas Fee zu trainieren.

„Sie hat die Kritik, die ja nicht unberechtigt war, aufgenommen“, stellte Alpindirektor Wolfgang Maier fest, „sie musste nach der letzten Saison erkennen, dass man mehr tun muss, weil die Konkurrenz viel zu heftig ist.“ Also reiste Rebensburg gleich nach dem Ende der vergangenen Saison, anstatt sich in Urlaub zu begeben, für drei Wochen nach Aare in Schweden, um an ihrem Defizit Sprünge zu feilen. „Die Vicky gibt schon auch was zurück“, sagt Maier. Gesehen am Samstag in Sölden.

So ein Auftakterfolg macht die Sache deutlich entspannter, aber irgendeine Relevanz für die weitere Saison wollte Rebensburg daraus in keiner Weise ableiten. Am 7. November fliegt sie nach Copper Mountain (USA), um sich auf den nächsten Riesenslalom in Killington Ende des kommenden Monats und auf die Übersee-Speedrennen in Lake Louise vorzubereiten, ab dann geht die Saison erst richtig los. Mit Olympia als Höhepunkt. Vorher kommt Silvester. Eine Gelegenheit, das mit den Champagner-Korken nochmal zu üben. Für den Fall der Fälle.

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