München – Wenn man James Rodriguez unten auf dem Rasen verfolgt, erinnert er an einen Bayern-Spieler, dem die Fans des Rekordmeisters ein besonderes Plätzchen in ihren Herzen reserviert haben. An einem guten Tag narrt der Kolumbianer die Gegner mit flinken Finten, schlaksig und doch gelenkig umkurvt er die Widersacher, und seine Ärmel zieht er gerne mal über die Fäuste, wie es eben früher auch Mehmet Scholl so gehalten hat. Es sieht immer ein bisschen so aus, als würde es ihn frieren. Doch die Marotte ist nicht von den Außentemperaturen abhängig.
Bei James Rodriguez, geboren in Kolumbien und zuletzt wohnhaft in Madrid, liegt der Verdacht nahe, es fröstle ihn noch ein wenig im herbstlichen München. Die Temperaturen sind das eine, zudem könnte dem Künstler die menschliche Wärme fehlen, nachdem neulich sein Mentor Carlo Ancelotti überraschend schnell vor die Tür gesetzt wurde. Doch James’ Akklimatisierungsprozess schreitet voran, gegen Leipzig feierte er nicht nur wegen seines Treffers zum 1:0 einen weiteren Schritt auf seinem Weg von der Randfigur zu einem wertvollen Teammitglied. „Er hat viel Fantasie“, lobte Trainer Jupp Heynckes, der auch dafür verantwortlich ist, dass der südländische Künstler in der Münchner Kälte nun seine Kreativität ausspielt.
Heynckes ist ja zum Glück des Spanischen mächtig, und er nimmt sich des ehemaligen Schützlings von Ancelotti an, spendet ihm Wärme, um einer möglichen Vereinsamung des Neuzugangs vorzubeugen. Es gehe keiner hier verloren, sagte Hasan Salihamidzic, „der Trainer spricht viel mit James, der ein richtig gutes Spiel gemacht hat. Er war voll da, hat sein Tor gemacht und auch gute Flanken eingebracht. So kann es weitergehen.“ Die offizielle Spielstatistik bestätigte den Sportchef: Der 26-Jährige beschloss seinen starken Arbeitstag als Tagesbester in den Rubriken Torschüsse (sechs) und Vorlagen (fünf).
James trumpfte auf der linken Seite in Abwesenheit des geschonten Kingsley Coman unter den Augen einer Delegation aus seiner Heimat auf; die Bayern wollen das Marketing in Südamerika forcieren und hatten schon im Sommer ein paar Trainer nach Bogota entsandt. Der Kapitän der kolumbianischen Nationalelf ist ein guter Katalysator für stärkere Kooperationen – vorausgesetzt, die Leihgabe von Real Madrid setzt sich bis zum Ende des Deals mit den „Königlichen“ in eineinhalb Jahren durch. „Ich denke, ich kann der Mannschaft helfen“, sagte er der „tz“, er habe anfangs Anpassungsprobleme gehabt und zuletzt Schmerzen im Rücken. Er müsse sich erst an den neuen Lebensstil in München gewöhnen, „das klappt nicht von heute auf morgen“.
Wohl fühle er sich inzwischen aber schon, sagte er, „ich sehe meine Zeit hier in München als komplett neues Leben“. Ein Leben, das er annehmen möchte – gegen die Kälte hat er sich zum Beispiel bereits gewappnet. „Eine Jacke war mir zu wenig, deswegen habe ich mir gleich ein paar Jacken zugelegt.“ Und im Spiel dehnt er halt im Zweifel die Ärmel, damit er nicht friert. Scholl blieb allen gut in Erinnerung. Mal sehen, ob es auch James in die Fan-Herzen schaffen wird. awe