-Jürgen Galler, gleich ein Sieg im ersten Rennen als neuer Cheftrainer der deutschen Ski-Damen – haben Sie von so einem Einstand geträumt?
Das ist natürlich für die ganze Mannschaft top. Wir haben gewusst, dass Vicky Rebensburg mehr Potenzial hat, als sie in den letzten zwei, drei Jahren gezeigt hat. Sie hat ihre Hausaufgaben gut gemacht, wir haben im konditionellen Bereich und beim Material die Schrauben nachgestellt. Vicky strotzt jetzt einfach vor Selbstvertrauen. Hut ab, das hat sie heute tadellos umgesetzt. Aber es gibt Licht und Schatten, man hat gesehen, dass mit dieser Mannschaft noch genug Arbeit bevorsteht.
-Sie sprechen die Lücke hinter Rebensburg an. Nur Maren Wiesler kam noch als 26. in die Punkteränge.
Es bin kein Zauberer, es gibt keine Wunder. Als ich das Projekt ab 1. April gestartet habe, wusste ich, dass es kein leichtes Unterfangen wird. Doch ich bin 100 Prozent davon überzeugt, dass wir mit den Mädels in vier bis fünf Jahren etwas auf die Beine stellen können, um wieder da zu sein, wo der deutsche Damenrennsport hingehört.
-Das wäre wo?
Im Slalom und Riesentorlauf sollten wir eine Weltcupmannschaft mit vier bis fünf Athletinnen unter den Top 30 haben. Im Speedbereich ein Team aufzubauen, wird länger dauern, das wird eine Aufgabe bis vielleicht 2022.
-Was kann dieser siegreiche Auftakt von Sölden auslösen?
Heute war die ganze Mannschaft bei der Siegerehrung, man freut sich zusammen. Das ist mir extrem wichtig: Dass wir wieder ein Team haben. Und bei Vicky persönlich: Ich schätze sie als Skirennläuferin extrem hoch ein. Wir haben für sie jetzt ein Umfeld gefunden, zu dem sie 100 Prozent Vertrauen hat – und wir 100 Prozent zu Vicky. Hut ab, sie hat das heute wirklich souverän und cool gemacht.
-Auch ein Ergebnis der Trainingseinheiten mit US-Superstar Mikaela Shiffrin? Hat sie sich manches abgeschaut?
Es läuft momentan einfach sehr gut für Vicky. Wir haben seit zwei Wochen nur mit Mikaela Shiffrin trainiert, da waren wir immer in etwa auf Schlaghöhe. Shiffrin hat brutal viel trainiert, aber ich habe der Vicky vor Sölden bewusst vier Tage frei gegeben, zu ihr gesagt: ,Wir hören uns jetzt vier Tage nicht, ich will, dass du komplett relaxt nach Sölden anreist.‘ Man sieht, es hat ihr gut getan.
-Seit vielen Jahren wird bei Rebensburg immer mal wieder das Thema Gesamtweltcup angerissen. Ist die große Kugel in dieser Saison wieder ein Thema, weil der Auftaktsieg eine Bremse lösen könnte?
Ich hatte als Cheftrainer der Österreicherinnen mal die Situation mit Marlies Schild und Niki Hosp, die bis zum letzten Rennen um die Kugel gefahren sind. Ich habe heute mit Niki (als ORF-Expertin in Sölden) geredet, sie meinte auch: Vicky ist eine sehr spezielle Läuferin, die sehr feinfühlig ist. Ich bin kein Trainer, der auf Punktelisten schaut, mehr auf Ergebnisse. Über den Gesamtweltcup schon am 28. Oktober zu sprechen, ist für mich ein Nonsens. Im Speedbereich haben wir bei Vicky gewisse Defizite, die wir regulieren müssen. Ihre Geländeintelligenz ist zu verbessern, das heißt, dass ich mehr mit dem Gelände spiele, das Gelände mehr für mich ausnutze.
-Das Gelände Rettenbachferner hat sie schon mal ziemlich perfekt ausgenutzt …
Sölden ist immer speziell. Der Saisonauftakt ist irrsinnig wichtig, touristisch, wirtschaftlich. Aber es gibt auch hier ein Starthäusl und es gibt ein Ziel, dazwischen gibt es rote und blaue Tore und die musst du so schnell wie möglich bewältigen – mehr Hexerei ist das Ganze nicht. Da brauche ich keine Diplomarbeit schreiben. Skifahren ist nicht so schwer, wie viele glauben.
Das Gespräch führte Jörg Köhle